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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0257
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Die Methoden der Intelligenzprüfung und der Begriff der Demenz

Veränderung eine Veränderung des Ganzen nach sich zöge. Die Analyse dieser von
178 den Logikern teleologisch genannten Einheit | kann naturgemäß nach verschiedenen
Gesichtspunkten erfolgen, die sich kreuzen, ohne sich gegenseitig auszuschließen. Es
ist eine Aufgabe der Methodologie, die Gesichtspunkte der Analyse, die zunächst unbe-
wußt angewandt werden, zum Bewußtsein zu erheben und einer strengeren Scheidung
zu unterziehen'. Das ist auch gegenüber den psychologischen Einteilungen erforder-
lich, die Grundlage der verschiedenen Demenzbegriffe sind und Grundlage der ver-
schiedenen Teilfunktionen der Intelligenz, die gesondert herabgesetzt gedacht werden
und gesondert geprüft werden sollen.
Es besteht eine besondere »Methode« darin, solche Analysen durchzuführen und
Typen aufzustellen.475 Was so gewonnen wird, ist nicht »richtig« im Sinne einer abbild-
lichen Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern nur brauchbar als ein System von Denk-
gebilden, an deren Entstehung zwar einerseits die Beobachtung mitwirkt, an denen
andererseits wiederum die Einzelbeobachtung gemessen wird. Solche Analysen und
Konstruktionen finden wir überall, wenn es auch selten eingestanden wird, in Arbeiten
über Intelligenz und Demenz. Eine systematische Durchführung solcher Analysen
würde, wenn es nicht eine bloße Anhäufung der schon gemachten Versuche wäre, son-
dern eine Aufzeigung ihrer Beziehungen, so daß ein System hervortreten würde, nicht
im Sinne der Vollständigkeit - es würde sehr viele Lücken haben -, sondern in dem Sinne,
daß nichts beziehungslos neben dem anderen stände, eine solche systematische Unter-
suchungwürde eine eigene Methode der Entwicklung der Demenzbegriffe und ein wert-
volles Hilfsmittel bei der Erfassung der Resultate der Intelligenzprüfungen sein.
Bei aller psychologischen Analyse muß man nun den selbstverständlichen, aber fun-
damentalen Unterschied gegen alle Analyse auf physischem Gebiet gegenwärtig
haben, daß nämlich auf letzterem die Elemente räumlich getrennt werden können,
während auf psychologischem Gebiet nur die doppelte Möglichkeit besteht, entweder
zeitliche Trennungen zu beobachten, indem dasselbe Individuum zu verschiedenen
Zeiten verschiedene psychische Erscheinungen bietet, oder verschiedene Individuen
zu vergleichen. Im übrigen findet die Analyse an dem in keiner Weise real trennbaren
einheitlichen Gesamtstrom des Bewußtseins statt. Hat man diesen Gegensatz nicht
gegenwärtig, kommt man leicht dazu, unmögliche Anforderungen an die psychologi-
sche Analyse zu stellen oder Leistungen solcher Analyse abfällig zu kritisieren, weil
man sie, ohne es zu merken und unbilligerweise, mit den Trennungen auf physischem
Gebiete vergleicht.

Damit ist gesagt, daß es sich im Grunde um »Selbstverständlichkeiten« handelt, d.h. um Dinge,
die »man sich denken kann«, zu denen keine neue Tatsachenfeststellung erforderlich ist. Man-
cher, der alles, was ihm einleuchtet, selbstverständlich, was ihm nicht einleuchtet, Unsinn fin-
det, und höchstens aus einer heterogenen Sympathie von einer Arbeit befriedigt ist, die nicht ex-
perimentelle Feststellungen oder Zahlen bringt, kann daher den Rest dieses Referates überschlagen,
zumal es sich hier nur um Skizzierung, nicht um Ausführung handeln kann.
 
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