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Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Hrsg.]; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0381
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338

Die Trugwahrnehmungen

undurchsichtige, farblose und farbige, unter letzteren grelle, gesättigte und blasse, sol-
che, die einzelne Dinge oder Panoramen, Szenen darstellen usw.
Manche Arten gelten als charakteristisch, z.B. multiple und bewegliche für Alkohol-
delir, »mikroskopische« für Kokainvergiftung, vorbeiziehende, immer wechselnde Bil-
der, denen gegenüber sich der Kranke als passiver Beobachter verhält, für Haschisch
und Opiumvergiftung, gesättigte, farbenreiche, in rot und blau strahlende für Epilep-
sie, völlig ruhige, wie tote für solche bei Augenaffektionen des Gesunden usw. Alle diese
Dinge entbehren einer systematischen Untersuchung und treffen nur in gewissem
Grad, nicht wörtlich genau zu. Zur qualitativen Veranschaulichung mögen noch einige
Fälle Platz finden:
Älterer Patient; völlige Erblindung durch Amotio retinae mit Cataracta752 complicata. Inten-
sive Lichterscheinungen vor beiden Augen, seit Jahren in quälender Weise andauernd. An den
hellen Tagen ist es ihm, als ob seine Augen von dem intensivsten grellsten Licht geblendet wer-
den »wie grellstes elektrisches Licht«, »als ob auf eine weiße Kalkwand intensiv die Sonne
scheine« usw. Die dunklen Tage sind die »guten«. »Das Blindsein ist gar nichts gegen diese inten-
sivste Blendung, die mich zur Verzweiflung bringt.« In der letzten Zeit werden die Perioden der
Blendung immer häufiger, die dunklen Tage seltener und kürzer. »Anfangs war es wie eine grell
blendende Wand vor mir, jetzt ist es schon mehr, als ob der ganze Raum von diesem intensiv-
sten Licht erfüllt ist.« (Uhthoff S. 372.)755
Wilbrand und Saenger schildern (S. 64), daß den Kranken mit nervöser Asthenopie »aller-
hand Photopsien,754 als fallende helle Blocken, farbige Kugeln, glänzende Flächen und kaleido-
skopisches Farbenspiel beschwerlich fallen; daneben wird häufig über eine allzulange Fortdauer
physiologischer Nachbilder Klage geführt, und manche Patienten beschweren sich, daß wäh-
rend des Lesens die Seiten des Buches ihnen plötzlich rot erscheinen und die Buchstaben grün
vorkämen ... Bei den meisten Pat. scheint eine Steigerung der Intensität physiologischer Licht-
und Farbennebel vorhanden zu sein. Vielen erscheinen sofort nach Augenschluß Köpfe, Bilder,
Landschaften usw.«755
Einer Versuchsperson Roses erschien drei viertel Stunden nach Einnahme von Santonsäure
das finstere Gesichtsfeld innen blau und von einem roten Kreise umsäumt, eine Erscheinung,
welche anhielt. Um 9 Uhr 25 Minuten ging das ganze Feld aus Rot durch Violett in Blau über,
dann zeigten sich grüne Kugeln darin und teils roter, teils gelber Staub mit sehr lebhafter jagen-
der Bewegung auf blauem Grunde. Diese Erscheinung hielt in der Art an, und muß sehr inten-
siv gewesen sein. Erst um 10 Uhr 5 Minuten wurde die Bewegung der Kugeln ruhiger (S. 40).
Vgl. die phantastischen Gesichtserscheinungen Joh. Müllers S. 2ö8.756
Elementare Gesichtshalluzinationen bei Kranken der Dementia praecox-Gruppe hat unter
anderen Hagen geschildert (S. 57, Anm.): Er hat »mehrere Fälle kennen gelernt, wo die Kranken
im Anfänge der Störung bloßen Lichtschein sahen, oder ein Gespinst von lauter leuchtenden
Fäden um sich her, oder ihr ganzes dunkles Zimmer am Abend voll Sterne oder langen phospho-
reszierenden Streifen, Flämmchen, welche aus dem Boden und den Wänden heraus schlugen«.757
290 | Die S. 322 zitierte Kranke Uhthoffs sah die halluzinierten Objekte anders wie normale. Die
Scheinblätter waren »wie gemalt«, »wie getuscht«, »glatt auf der Fläche der Wand«, »gleichmä-
ßig gefärbt«.758
 
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