Metadaten

Jaspers, Karl; Marazia, Chantal [Editor]; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 3): Gesammelte Schriften zur Psychopathologie — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69896#0426
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
| Kausale und »verständliche« Zusammenhänge 329
zwischen Schicksal und Psychose bei der
Dementia praecox (Schizophrenie)8^

Verständliche Zusammenhänge sind etwas durchaus anderes als kausale Zusammen-
hänge. Zum Beispiel verstehen wir eine Handlung aus Motiven, erklären wir eine Bewe-
gung kausal durch Nervenreize. Wir verstehen, wie aus Affekten Stimmungen hervorge-
hen, aus Stimmungen bestimmte Hoffnungen, Phantasien und Befürchtungen
entspringen, wir erklären das Entstehen und Vergehen von Gedächtnisdispositionen,
von Ermüdung und Erholung usw. Das Verstehen von Seelischem aus anderem Seeli-
schem nennt man auch psychologisches Erklären, und die naturwissenschaftlichen For-
scher, die es nur mit sinnlich Wahrnehmbarem und mit kausalen Erklärungen zu tun
haben, äußern eine begreifliche und berechtigte Abneigung gegen das psychologische
Erklären, wenn es irgendwo ihre Arbeit ersetzen soll. Man hat die verständlichen Zusam-
menhänge des Seelischen auch Kausalität von innen genannt und damit den unüber-
brückbaren Abgrund bezeichnet, der zwischen diesen nur gleichnisweise kausal zu nen-
nenden und den echten kausalen Zusammenhängen, der Kausalität von außen, besteht.
Verstehende und kausal erklärende Analyse greifen bei der Erforschung des Menschen
in zwar sehr komplizierter, aber bei genauerer methodologischer Besinnung doch durch-
aus übersehbarer und klarer Weise ineinander. Wir haben uns in diesem Aufsatz nicht
die Aufgabe gestellt, diese Verhältnisse im einzelnen auseinanderzulegen. Wir wollen
vielmehr an konkreten Fällen kausale und verständliche Zusammenhänge herauszuschä-
len suchen. Ob und wieweit durch das Verstehen, das sogenannte psychologische Erklä-
ren, unsere Einsicht gefördert wird, das kann nur die Herbeischaffung konkreten Mate-
rials zeigen. Dieses wollen wir vermehren. Wir können aber nicht umhin, vorher in ganz
kurzer, thesenhafter Form die methodologischen Verhältnisse dieser Forschungsrich-
tung festzulegen und dabei die gebrauchten Worte mit festen Begriffen zu verbinden'.820
Methodologische Übersicht
Wir beabsichtigen mit unseren Thesen an dieser Stelle nicht, Forscher, die auf ganz an-
deren Wegen gehen, zu überzeugen. Wir beabsichtigen nur, solchen, die Ähnliches

Aus der Literatur ist besonders bemerkenswert Simmel, Probleme der Geschichtsphilosophie, Kap. I,
und Max Weber, Roscher und Knies usw. in Schmollers Jahrbüchern Bd. 27,29,30; 1903-1906.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften