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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0018
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Einleitung des Herausgebers

XVII

fessor Jaspers«.58 »Vielleicht ist alles, was unsereins noch tun kann, ein Testament«,59
bekannte Jaspers damals Kurt Schneider. Anders als noch die Groninger sind die Frank-
furter Vorlesungen in dem Bewusstsein geschrieben, sie könnten auf lange Sicht, viel-
leicht sogar endgültig, die letzte Veröffentlichung sein: Dass wir sie heute anders lesen,
ist historisch ein Zufall, der sich dem rechtzeitigen Einmarsch amerikanischer Trup-
pen in Heidelberg verdankt.60
Der unterschiedliche »Sitz im Leben« hat Einfluss auf Stil und Duktus beider Texte:
Vernunft und Existenz ist noch >business as usual<. Ungewohnt war Jaspers der auswär-
tige Anlass. »Mir ist nicht ganz geheuer. Es ist das erste Mal, dass ich - nach unzähligen
Ablehnungen - so etwas ausserhalb Heidelbergs unternehme.«61 Zudem erwartete man
in Groningen ein fertiges Manuskript. Die Regularien vor Ort verlangten eine Publika-
tion quasi in Echtzeit. Von Januar bis März 1935 arbeitete Jaspers, brieflich und durch
Postkarten im permanenten Austausch mit Ernst Mayer, »wie eine Maschine«62 an zwei
Versionen: eine für den Druck, eine zweite, nochmals redigierte, für den mündlichen
Vortrag. »So sicher des Gelingens, wie Du heute scheinst, bin ich nicht. Es ist die Zeit
so kurz, und am Ende muss ich noch die rhetorische Fassung - Erweiterung und Kür-
zung an einem zweiten Manuskript wenigstens andeutend vorbereiten. »Eine Rede ist
keine Schreibe« sagte F. Th. Vischer. Jetzt sind alle Vorlesungen z.B. viel zu lang. Für
den Druck geht das, aber so halten kann ich sie nicht.«63 Dabei nahm Jaspers einen
Fehlschlag bewusst in Kauf. Aus nicht bis in letzte Details rekonstruierbaren Gründen
hatte er sich entschlossen, die Groninger Vorträge systematisch statt (wie zunächst
geplant) historisch aufzuziehen, um die in der Philosophie angekündigte Logik64 we-
nigstens skizzenhaft vorzustellen. Vielleicht war es nur der erste internationale Auf-
ritt, vielleicht waren es bereits Exilpläne,65 die dem Groninger Anlass das Gewicht

58 Interne Notiz von Konrad Grethlein, o.D. (KJG III/8.1, 141): »Als ich am 21. 7. 42 in der Verlags-
konferenz zum Vortrag brachte, daß unsere Bestände von Jaspers, Existenzphilosophie« zu Ende
gehen, wurde beschlossen, daß an eine neue Auflage zunächst nicht heranzugehen sei, daß viel-
mehr nach der Auslieferung des letzten Exemplares bis auf weiteres das Werk als vergriffen ange-
sehen werden soll. Wir fürchten, daß wir bei einem Antrag auf Papierbewilligung Schwierigkei-
ten bekommen können wegen der jüdischen Frau des Herrn Professor Jaspers.«

59 K. Jaspers an K. Schneider, 2. Juli 1942, Korrespondenzen 1, 493.

60 - am 1. April 1945. Der auf Mitte April festgesetzten Deportation von Gertrud Jaspers wollte sich
das Ehepaar durch gemeinsamen Freitod entziehen. Jaspers hatte für diesen Fall Zyankali besorgt,
das, als Vitaminkapseln getarnt, griffbereit lag.

61 K. Jaspers an Ella Mayer, 24. Februar 1935.

62 K. Jaspers an E. Mayer, 18. Februar 1935 (»die Einfälle müssen kommen, wenn man sich quält!?«).

63 K. Jaspers an E. Mayer, 24. Februar 1935. - »Eine Rede ist ein für allemal keine Schreibe«: Der Krieg
und die Künste. Vortrag am 2. März im Saale des Königsbaues zu Stuttgart gehalten von Friedrich
Vischer, Stuttgart 1872, XIII—XIV.

64 Vgl. Philosophie 1, IX.

65 Vgl. Stellenkommentar Nr. 2.
 
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