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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0098
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Das Umgreifende

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Geschichtlich ist der Geist sich im Rückblick gegenwärtig als durchsich tige Totalität;
geschichtlich ist dagegen Existenz als Ewigkeit in der Zeit absolute Geschichtlichkeit ih-
res konkreten Daseins in ihrer auch immer noch bleibenden geistigen Undurchsich-
tigkeit. Existenz ist aber nicht bloß diese Unvollendung und Schiefheit allen Zeitda-
seins, das als solches immer noch in das geistige Ganzwerden sich weiten und
verwandeln muß, sondern das eigentlich durchdrungene Zeitdasein: die Paradoxie der
Einheit von Zeitlichkeit und Ewigkeit.
Die Unmittelbarkeit des Geistes ist die Idee im Keim, deren Allgemeinheit sich zur
vollen Helligkeit entfaltet. Die Unmittelbarkeit der Existenz dagegen ist ihre Ge-
schichtlichkeit in bezug auf Transzendenz, d.h. die unaufhebbare Unmittelbarkeit ihres
Glaubens.
Der Glaube des Geistes ist das Leben der allgemeinen Idee, in der schließlich gilt:
Denken ist Sein. Der Glaube der Existenz aber ist das Unergründliche in ihr selbst, auf
dem alles für sie ruht, in dem für sie auch Geist, Bewußtsein und Dasein gebunden und
beschlossen sind, das selbst erst Antrieb und Ziel hat, so daß Kierkegaards Satz gilt:
Glauben ist Sein.139
Wenn Existenz sich versteht, so ist das nicht wie das Verstehen eines Anderen, auch
nicht ein Verstehen, das vom Verstehenden losgelöst noch Verständnis eines Gehalts
bedeuten könnte, auch nicht ein Zusehen, sondern es ist der im Erhellen erst selbst wer-
dende Ursprung. Es ist nicht wie das Teilnehmen an einem Anderen, sondern in eins das
Verstehen und das Sein des Verstandenen. Es ist nicht ein Verstehen im Allgemeinen,
aber es ist auf dem | Wege über das Verstehen im Allgemeinen (im Medium des Geis-
tes) das Verstehen ohne Verallgemeinerung im absolut Gegenwärtigen, im Tun, in der
Liebe, in jeder Gestalt des absoluten Bewußtseins.140 Es ist der Unterschied dessen, wie
ich die Liebe eines Andern verstehe und nie eigentlich verstehen kann, und dessen,
wie ich meine Liebe verstehe, weil ich sie wirklich bin; oder, was dasselbe ist, der Un-
terschied, wie ich mich in alles einfühlend ein Geschehen und Erleben verstehe, und
wie ich unvertretbar verstehe, weil ich mich vor der Transzendenz weiß.
Ob wir Existenz an das Bewußtsein überhaupt oder an den Geist oder an jede an-
dere Weise des Umgreifenden halten, es zeigt sich das gleiche: Ohne Existenz wird al-
les wie leer, wie ausgehöhlt, wie bodenlos, wird alles unecht, weil endloses Masken-
sein und bloßes Möglichsein oder bloßes Dasein.
Wir sahen die Weisen des Umgreifenden: Das Sein als das Andere war entweder die Welt
(als empirisches Dasein allgemeingültig erforschbar) oder die Transzendenz (als das
Sein an sich).
Das Sein des Umgreifenden, das wir sind, war entweder unser Dasein (als das noch
unbestimmte, umfassende Daseinswirkliche) oder das Bewußtsein überhaupt (als die
Stätte alles gegenständlich und verstandesmäßig Allgemeingültigwerdens des Seins

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