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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0113
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52

Vernunft und Existenz

Im Medium des Geistes gilt Überzeugung, die aus der Idee sich bestätigt. Aus der
Substanz eines Ganzen erkenne ich in Gemeinschaft dieses Ganzen an meiner Stelle
als wahr, was einer geschichtlichen Totalität angehört.
Gemeinte pragmatische Bewährung, zwingende Evidenz, erfüllte Überzeugung sind
die drei Weisen des Wahrheitssinnes in diesen drei Gestalten des Umgreifenden. -
Ein weiterer Vergleich der Mitteilung in den drei Weisen des Umgreifenden trifft
das Sein des Mitteilenden: wer es ist. Wir sind ja in der Tat nicht in jedem Sinne unse-
res Sprechens stets derselbe. In der Vielfachheit des sich selber so oft nicht mehr ver-
stehenden Redens und Behauptens ist die Frage klärend: wer spricht?
Spricht bloßes Dasein, so ist nicht im Ernst von Wahrheit die Rede, sondern von
dem, was - verborgen oder klar bewußt - diesem Dasein sein Interesse, sein Begehren
scheint, das es zu befriedigen sucht im Feld der Sinne, des Reichtums, der Macht - oder
unter welcher Gestalt das stets zweideutige »Glück« sich ihm zeigt.
Spricht das Bewußtsein überhaupt, so muß ein schlechthin universal mögliches Ver-
stehen der Rede und Antwort stattfinden, um das Sprechen sinnvoll zu erhalten. Zur
sinnvoll argumentierenden Unterredung gehört daher, daß die Worte etwas Bestimm-
tes bezeichnen, daß sie nicht vielerlei bedeuten, und daß anerkannt wird, daß das Wi-
dersprechende sich aufhebt.164 Wer die Identität des Bewußtseins überhaupt als Spre-
79 chender nicht betritt, mit dem ist Spre|chen, das ein Allgemeingültiges intendiert,
nicht möglich. Er verhält sich verworren als bloßes Dasein eines lebendigen Wesens
»nahezu wie eine Pflanze« (Aristoteles),165 und in der Verworrenheit ist entweder bloß
diese oder ein sich versteckender Daseinswille zu verstehen. Wer aber als Bewußtsein
überhaupt spricht, ist als nur solches gleichsam ein leerer, beliebig vertretbarer Punkt.
Um Kommunikation im Geiste möglich zu machen, genügt nicht, daß ich wie als
Verstandeswesen im Bewußtsein überhaupt den Satz von Identität und Widerspruch
anerkenne und befolge. Wer hier redet und versteht, spricht aus der Substanz einer
Idee. Er muß erfüllt sein von etwas, das nicht bloß ein Gegenstand in der Welt ist, von
dem er als Bewußtsein überhaupt wissen kann. Nur aus diesem neuen Ursprung ist im
Gesagten die Meinung sinnvoll aufzufassen und in ihr fortzudenken. -
Nennen wir die sich verstehende Gemeinschaft ein Reich der Geister, so hat dieses
Reich einen dreifachen Sinn:
Als Dasein ist es die Gemeinschaft der vitalen Sympathien und der Interessen; diese
Gemeinschaft ist eine ständig bewegliche, immer gegen andere sich begrenzende, sich
erweiternde und wieder in kleinere Bruchstücke zerfallende.
Als Bewußtsein überhaupt ist es die Universalität eines Allgemeinen, alle Menschen
als Verstandeswesen identisch Verbindenden in einer daseinsohnmächtigen, durch
das bloß Richtige bestimmten, gleichgültig werdenden Gemeinschaft.
Als Gemeinschaft des Geistes schließen sich dessen Glieder aus dem Wissen um
♦ ein Ganzes zu diesem als ihrer Idee zusammen, immer als ein Ganzes, nie als das Ganze;
 
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