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Vernunft und Existenz
Jedesmal haben wir etwas für den Verstand Unfaßliches, aber gerade für unsere Seins-
gewißheit Entscheidendes weniger vor uns, als in unserem Denken gegenwärtig. Die
formallogischen Schwierigkeiten der Selbstbezüglichkeit müssen auftreten. Machen
wir das philosophisch Gedachte zu einem Beziehungspunkt neben einem andern, was
wir im Aussagen unvermeidlich auch tun, so ist es, so gemeint, nicht mehr der philo-
sophische Gehalt. Wir müssen solche Aussagen daher rückgängig machen. Daß über-
haupt das verstandesmäßig Unzugängliche gedacht wird, muß darin zur Erscheinung
114 kommen, daß eine logische Unmöglichkeit oder | Unlösbarkeit auftritt, worin das Ge-
sagte als vermeintliche Erkenntnis einer bestimmten Sache sich wieder aufhebt. Nur
so kann erreicht werden, daß nicht eine fälschliche Einsicht des bloßen Verstandes
den wesentlichen Sinn des philosophischen Denkens verdrängt.
Daraus wird uns zweierlei, das wir beim philosophischen Studium vielleicht oft er-
fahren haben, erst recht begreiflich:
Das Ergebnis des Philosophierens ist keine nun aussagbare endgültige Einsicht,
sondern vielmehr ein Denkvollzug, in dem unser gesamtes Bewußtsein, die Weise, wie
uns Sein gegenwärtig ist, sich verwandelt.
Alle Philosophie aber, die unter Aufhebung ihrer vermeintlichen Zirkel und Wider-
sprüche zu einer eindeutigen Mitteilung von Wissen verbessert wird, fällt gleichsam
platt zu Boden, ist ganz leer geworden.
Eine Kritik der Philosophie hat daher gar nicht ihre Zirkel und Widersprüche auf-
zuheben, sondern in volles Licht zu setzen und zu sehen, ob es sich um gehaltvolle oder
leere Zirkel handelt.191 Denn der Zirkel als Form kehrt in jeder noch so zerrütteten Phi-
losophie faktisch wieder.
Wenn z.B. der materialistische Denker die Außenwelt für eine Schöpfung unserer
physiologischen Organisation, insbesondere des Gehirns erklärt, so ist doch auch das
Gehirn, auch das eigene - das etwa bei Schädeltrepanationen192 unter Lokalanästhe-
sie mit Spiegelvorrichtungen betrachtet werden kann - ein Stück der Außenwelt. Dann
ist also das Gehirn die Schöpfung des Gehirns - der Form nach dieselbe Denkweise,
welche von der Gottheit die causa sui aussagt.193
Es ist eine interessante und erregende Untersuchung, die Zirkel und anderen logi-
schen Widrigkeiten im Philosophieren zu verfolgen und jeweils zu sehen, was in der
verstandeslogisch identischen Form einmal absurde Torheit, ein andermal tiefe Berüh-
rung der Grenze ist.
115 | Aber der philosophische Gedanke ist in der Reduktion auf den nackten Zirkel nicht
mehr in seiner ganzen sprechenden Kraft enthalten, obwohl im Keim bewahrt. Er ist
in dieser Nacktheit zugleich als gegenständlicher Wissensinhalt, der er für den bloßen
Verstand jederzeit werden möchte, aufgelöst. Gegenständlich sprechen - und anders
können wir Menschen nicht sprechen - kann man vom schlechthin Ungegenständli-
chen nur in Formen, die als gegenständlich sich selbst aufheben.
Vernunft und Existenz
Jedesmal haben wir etwas für den Verstand Unfaßliches, aber gerade für unsere Seins-
gewißheit Entscheidendes weniger vor uns, als in unserem Denken gegenwärtig. Die
formallogischen Schwierigkeiten der Selbstbezüglichkeit müssen auftreten. Machen
wir das philosophisch Gedachte zu einem Beziehungspunkt neben einem andern, was
wir im Aussagen unvermeidlich auch tun, so ist es, so gemeint, nicht mehr der philo-
sophische Gehalt. Wir müssen solche Aussagen daher rückgängig machen. Daß über-
haupt das verstandesmäßig Unzugängliche gedacht wird, muß darin zur Erscheinung
114 kommen, daß eine logische Unmöglichkeit oder | Unlösbarkeit auftritt, worin das Ge-
sagte als vermeintliche Erkenntnis einer bestimmten Sache sich wieder aufhebt. Nur
so kann erreicht werden, daß nicht eine fälschliche Einsicht des bloßen Verstandes
den wesentlichen Sinn des philosophischen Denkens verdrängt.
Daraus wird uns zweierlei, das wir beim philosophischen Studium vielleicht oft er-
fahren haben, erst recht begreiflich:
Das Ergebnis des Philosophierens ist keine nun aussagbare endgültige Einsicht,
sondern vielmehr ein Denkvollzug, in dem unser gesamtes Bewußtsein, die Weise, wie
uns Sein gegenwärtig ist, sich verwandelt.
Alle Philosophie aber, die unter Aufhebung ihrer vermeintlichen Zirkel und Wider-
sprüche zu einer eindeutigen Mitteilung von Wissen verbessert wird, fällt gleichsam
platt zu Boden, ist ganz leer geworden.
Eine Kritik der Philosophie hat daher gar nicht ihre Zirkel und Widersprüche auf-
zuheben, sondern in volles Licht zu setzen und zu sehen, ob es sich um gehaltvolle oder
leere Zirkel handelt.191 Denn der Zirkel als Form kehrt in jeder noch so zerrütteten Phi-
losophie faktisch wieder.
Wenn z.B. der materialistische Denker die Außenwelt für eine Schöpfung unserer
physiologischen Organisation, insbesondere des Gehirns erklärt, so ist doch auch das
Gehirn, auch das eigene - das etwa bei Schädeltrepanationen192 unter Lokalanästhe-
sie mit Spiegelvorrichtungen betrachtet werden kann - ein Stück der Außenwelt. Dann
ist also das Gehirn die Schöpfung des Gehirns - der Form nach dieselbe Denkweise,
welche von der Gottheit die causa sui aussagt.193
Es ist eine interessante und erregende Untersuchung, die Zirkel und anderen logi-
schen Widrigkeiten im Philosophieren zu verfolgen und jeweils zu sehen, was in der
verstandeslogisch identischen Form einmal absurde Torheit, ein andermal tiefe Berüh-
rung der Grenze ist.
115 | Aber der philosophische Gedanke ist in der Reduktion auf den nackten Zirkel nicht
mehr in seiner ganzen sprechenden Kraft enthalten, obwohl im Keim bewahrt. Er ist
in dieser Nacktheit zugleich als gegenständlicher Wissensinhalt, der er für den bloßen
Verstand jederzeit werden möchte, aufgelöst. Gegenständlich sprechen - und anders
können wir Menschen nicht sprechen - kann man vom schlechthin Ungegenständli-
chen nur in Formen, die als gegenständlich sich selbst aufheben.