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Vernunft und Existenz
Entsprechend sind die zahllosen Existenzerhellungen, die in Abkürzungen ihres
Vollzugs sich kristallisieren:
117 Ich handele wahrhaft verwirklichend aus möglicher Exi |stenz nur dann, wenn ich in
mein Handeln das Scheitern wissend mitaufnehme.
Ich bin eigentlich vernünftig nur, wenn meine gesamte Vernunft faktisch und für
mein Wissen auf Unvernunft gegründet ist.
Ich glaube nur dadurch, daß ich zweifle, ob ich glaube.
Solche Aussagen sind aber zugleich die Quelle von Mißverständnis und Verkehrung. Ihr
Sinn würde zerstört, wenn ich nun z.B. die Enge meines Daseins als solche wollte, wenn
ich allein sein, scheitern, die Unvernunft als solche, den Zweifel wollte:
So ist die Geschichtlichkeit nur wahr, wenn im Übernehmen und damit Beseelen des
eigenen Daseins gerade die größte Weite in der Offenheit für Transzendenz gewonnen
wurde. Unwahr ist sie - nicht mehr sie selbst, sondern bloßes Dasein -, wenn ihr Ge-
danke dazu dient, die Enge als Enge zu bejahen, nunmehr statt in der Geschichtlichkeit
im vermeintlichen Wissen von ihr gerade ungeschichtlich als Daseinsenge zu leben: es
versinkt das Dasein in sich selbst, in der unfruchtbaren Angst um sich und seinen Wert.
Wenn ich ferner die Aussage, Existenz sei nur in Kommunikation wirklich, ihr zuse-
hend, zu einem Wissensinhalt und nun Kommunikation zur Bedingung meiner Exis-
tenz mache, ihr Entbehren gleichsam dem Sein vorwerfend, dann kann ich gerade
nicht in Kommunikation treten, weil ich mir durch eine solche Umdrehung die eigene
♦ unbedingte Bereitschaft ruiniere, und den Gedanken in solcher Gestalt mißbrauche,
um mein Nicht-allein-sein-Können in einer begehrten, erbettelten, erzwungenen
Scheinkommunikation zu verhüllen.
Daß ich in dem Ganzen meiner Vernünftigkeit nur bin auf dem Grunde einer Un-
118 vernunft, das besagt nicht, daß | aus einem durch existenzerhellendes Philosophieren
begründeten allgemeingültigen Recht Vernunft verneint werden könnte. Kein Ver-
nunftloses oder Vernunftwidriges kann von sich aus als solches argumentierend
Ansprüche erheben; denn eben damit tritt es selbst in das Medium der Vernünftigkeit.
Weder das Positive der bloßen empirischen Realität noch das des existentiellen Grun-
des hat ein Recht ohne Vernunft. Jeder Ansatz einer Rechtfertigung tritt in den Kreis
des Vernünftigen. Die Wahrheit des Nichtvernünftigen ist nicht möglich ohne die bis
an ihre Grenze verwirklichte Vernunft.
So wird die Begrifflichkeit der Existenzphilosophie ein Medium, durch das statt der
Erhellung gerade die Verwirrung der Existenz hervorgebracht werden kann. Jede di-
rekte Benutzung dieser Begriffe als Inhalt der Aussage, statt in ihnen unter ihrem Ap-
pell faktisch zu leben, ist schon auf diesem Wege:
Es kann etwa das Äußerste an erbarmungsloser Grausamkeit sein, vom Andern Frei-
heit zu verlangen, da, wo er nie durch direkte Willensforderung, sondern nur indirekt
Vernunft und Existenz
Entsprechend sind die zahllosen Existenzerhellungen, die in Abkürzungen ihres
Vollzugs sich kristallisieren:
117 Ich handele wahrhaft verwirklichend aus möglicher Exi |stenz nur dann, wenn ich in
mein Handeln das Scheitern wissend mitaufnehme.
Ich bin eigentlich vernünftig nur, wenn meine gesamte Vernunft faktisch und für
mein Wissen auf Unvernunft gegründet ist.
Ich glaube nur dadurch, daß ich zweifle, ob ich glaube.
Solche Aussagen sind aber zugleich die Quelle von Mißverständnis und Verkehrung. Ihr
Sinn würde zerstört, wenn ich nun z.B. die Enge meines Daseins als solche wollte, wenn
ich allein sein, scheitern, die Unvernunft als solche, den Zweifel wollte:
So ist die Geschichtlichkeit nur wahr, wenn im Übernehmen und damit Beseelen des
eigenen Daseins gerade die größte Weite in der Offenheit für Transzendenz gewonnen
wurde. Unwahr ist sie - nicht mehr sie selbst, sondern bloßes Dasein -, wenn ihr Ge-
danke dazu dient, die Enge als Enge zu bejahen, nunmehr statt in der Geschichtlichkeit
im vermeintlichen Wissen von ihr gerade ungeschichtlich als Daseinsenge zu leben: es
versinkt das Dasein in sich selbst, in der unfruchtbaren Angst um sich und seinen Wert.
Wenn ich ferner die Aussage, Existenz sei nur in Kommunikation wirklich, ihr zuse-
hend, zu einem Wissensinhalt und nun Kommunikation zur Bedingung meiner Exis-
tenz mache, ihr Entbehren gleichsam dem Sein vorwerfend, dann kann ich gerade
nicht in Kommunikation treten, weil ich mir durch eine solche Umdrehung die eigene
♦ unbedingte Bereitschaft ruiniere, und den Gedanken in solcher Gestalt mißbrauche,
um mein Nicht-allein-sein-Können in einer begehrten, erbettelten, erzwungenen
Scheinkommunikation zu verhüllen.
Daß ich in dem Ganzen meiner Vernünftigkeit nur bin auf dem Grunde einer Un-
118 vernunft, das besagt nicht, daß | aus einem durch existenzerhellendes Philosophieren
begründeten allgemeingültigen Recht Vernunft verneint werden könnte. Kein Ver-
nunftloses oder Vernunftwidriges kann von sich aus als solches argumentierend
Ansprüche erheben; denn eben damit tritt es selbst in das Medium der Vernünftigkeit.
Weder das Positive der bloßen empirischen Realität noch das des existentiellen Grun-
des hat ein Recht ohne Vernunft. Jeder Ansatz einer Rechtfertigung tritt in den Kreis
des Vernünftigen. Die Wahrheit des Nichtvernünftigen ist nicht möglich ohne die bis
an ihre Grenze verwirklichte Vernunft.
So wird die Begrifflichkeit der Existenzphilosophie ein Medium, durch das statt der
Erhellung gerade die Verwirrung der Existenz hervorgebracht werden kann. Jede di-
rekte Benutzung dieser Begriffe als Inhalt der Aussage, statt in ihnen unter ihrem Ap-
pell faktisch zu leben, ist schon auf diesem Wege:
Es kann etwa das Äußerste an erbarmungsloser Grausamkeit sein, vom Andern Frei-
heit zu verlangen, da, wo er nie durch direkte Willensforderung, sondern nur indirekt