Wirklichkeit
145
tenz nur mit anderer Existenz wir selbst werden: auch Existenz schließt sich nicht als
eine in sich. Einheit ist, wenn sie ist, nur in der Transzendenz. Von da her wird sie in der
Welt ergriffen; der eine Gott ist für uns fühlbar durch die unbedingte, ausschließende
Einheit unserer Lebensverwirklichung. Einheit ist, im Transzendieren über alle imma-
nente Einheit, die Wirklichkeit selbst. In der Transzendenz ist die wahre Einheit als die
Angel aller sich verwandelnden Einheit in der Welt, ist die Einheit als Urbild aller uns
sichtbaren, spiegelnden Einheit.
In jedem unserer drei Beispiele werden wir auf ähnliche Erfahrungen hingewiesen:
I. Die Wirklichkeit weicht zurück, bis sie erst in der Transzendenz standhält.
Nach jeder Fassung des Wirklichen in eine bestimmte Wißbarkeit war von neuem
die Frage: was ist die Wirklichkeit selbst, und wie ist sie gegenwärtig? Ich verliere die
Transzendenz, wenn ich sie vorwegnehmend in einem faßlichen Weltsein als solchem
schon zu haben meine. Philosophierend widerstehen wir der Neigung, die Wirklich-
keit im Sinnlich-Handgreiflichen zu fixieren, sie | in Gestalten anschauend zu besit-
zen, sie im spekulativen Gedanken rational verläßlich wissen zu wollen. Es ist im-
mer das Gleiche: wenn man das Wirkliche gradezu ergreifen will, unmittelbar von
ihm redet, es im Gedanken zu wissen meint - statt es im Transzendieren durch das
Wirklichwerden der eigenen Existenz zu berühren -, gerade dann wenn man ihm
durch kritische und geschickte Operationen ganz nahe zu sein glaubt, pflegt es sich
zu versagen.
2. Der Weg des Philosophierens zur Wirklichkeit hin war in den Beispielen ein Den-
ken mit Kategorien über diese Kategorien hinaus. Die Kategorien - wie Einheit, Möglich-
keit usw. - sind die bestimmten Formen des Seienden für uns. Das Transzendieren über
diese Kategorien ist wie ein Beschwören der Wirklichkeit. Denkend möchten wir da-
hin dringen, wo Denken mit der Wirklichkeit identisch wird, aber dabei geschieht uns
der Stoß, daß das Denken vor der Wirklichkeit abprallt. Denken, durch die Erfahrung
des Stoßes über sich selbst transzendierend, kann jedoch auf eine unersetzliche Weise
indirekt die Wirklichkeit dem Denkenden gegenwärtig machen.
3. Es ist eine Grunderfahrung, daß das Wirkliche nicht einfach »ist«. In der Weise,
wie es uns erscheint, ist etwas nicht in Ordnung, sofern wir messen an der Faßlichkeit
für uns, an Vollendung, Richtigkeit, Dauer. Es ist, als ob wir aus der Wirklichkeit gefal-
len seien und durch Wahrheit zur Wirklichkeit erst zurückkehrten.
Daher ist jede zeitliche Erscheinung der Wirklichkeit auch unangemessen. Was
auch immer ist, es muß anders werden.260
Und daher ist das unmittelbar Faßliche des immanenten Seins erst in seiner Trans-
parenz Erscheinung der Wirklichkeit.
Wird daher - im Mißverstehen unserer drei Beispiele - der spekulative Gedanke,
statt durch ihn zu transzendieren, aufgefaßt, als ob mit ihm durch eine verendlichende
67
145
tenz nur mit anderer Existenz wir selbst werden: auch Existenz schließt sich nicht als
eine in sich. Einheit ist, wenn sie ist, nur in der Transzendenz. Von da her wird sie in der
Welt ergriffen; der eine Gott ist für uns fühlbar durch die unbedingte, ausschließende
Einheit unserer Lebensverwirklichung. Einheit ist, im Transzendieren über alle imma-
nente Einheit, die Wirklichkeit selbst. In der Transzendenz ist die wahre Einheit als die
Angel aller sich verwandelnden Einheit in der Welt, ist die Einheit als Urbild aller uns
sichtbaren, spiegelnden Einheit.
In jedem unserer drei Beispiele werden wir auf ähnliche Erfahrungen hingewiesen:
I. Die Wirklichkeit weicht zurück, bis sie erst in der Transzendenz standhält.
Nach jeder Fassung des Wirklichen in eine bestimmte Wißbarkeit war von neuem
die Frage: was ist die Wirklichkeit selbst, und wie ist sie gegenwärtig? Ich verliere die
Transzendenz, wenn ich sie vorwegnehmend in einem faßlichen Weltsein als solchem
schon zu haben meine. Philosophierend widerstehen wir der Neigung, die Wirklich-
keit im Sinnlich-Handgreiflichen zu fixieren, sie | in Gestalten anschauend zu besit-
zen, sie im spekulativen Gedanken rational verläßlich wissen zu wollen. Es ist im-
mer das Gleiche: wenn man das Wirkliche gradezu ergreifen will, unmittelbar von
ihm redet, es im Gedanken zu wissen meint - statt es im Transzendieren durch das
Wirklichwerden der eigenen Existenz zu berühren -, gerade dann wenn man ihm
durch kritische und geschickte Operationen ganz nahe zu sein glaubt, pflegt es sich
zu versagen.
2. Der Weg des Philosophierens zur Wirklichkeit hin war in den Beispielen ein Den-
ken mit Kategorien über diese Kategorien hinaus. Die Kategorien - wie Einheit, Möglich-
keit usw. - sind die bestimmten Formen des Seienden für uns. Das Transzendieren über
diese Kategorien ist wie ein Beschwören der Wirklichkeit. Denkend möchten wir da-
hin dringen, wo Denken mit der Wirklichkeit identisch wird, aber dabei geschieht uns
der Stoß, daß das Denken vor der Wirklichkeit abprallt. Denken, durch die Erfahrung
des Stoßes über sich selbst transzendierend, kann jedoch auf eine unersetzliche Weise
indirekt die Wirklichkeit dem Denkenden gegenwärtig machen.
3. Es ist eine Grunderfahrung, daß das Wirkliche nicht einfach »ist«. In der Weise,
wie es uns erscheint, ist etwas nicht in Ordnung, sofern wir messen an der Faßlichkeit
für uns, an Vollendung, Richtigkeit, Dauer. Es ist, als ob wir aus der Wirklichkeit gefal-
len seien und durch Wahrheit zur Wirklichkeit erst zurückkehrten.
Daher ist jede zeitliche Erscheinung der Wirklichkeit auch unangemessen. Was
auch immer ist, es muß anders werden.260
Und daher ist das unmittelbar Faßliche des immanenten Seins erst in seiner Trans-
parenz Erscheinung der Wirklichkeit.
Wird daher - im Mißverstehen unserer drei Beispiele - der spekulative Gedanke,
statt durch ihn zu transzendieren, aufgefaßt, als ob mit ihm durch eine verendlichende
67