Entwurf zu »Preface«
Es kommt nur darauf an, welche Gestalt die Widersprüchlichkeit annimmt und in wel-
chem Masse sie bewusst und damit zwar nicht aufgehoben, aber überwunden wird, so
dass sie nicht mehr täuschen kann, wodurch der Sinn des ganzen Philosophierens und
seiner einzelnen Sätze erst in das rechte Licht rückt. Die kritische Arbeit der Verfasser
leistet hierzu einen wertvollen Beitrag.
Keine Darstellung einer Philosophie kann diese Philosophie selber in ihrem Wesen
zeigen. Das liegt in der Natur der Sache. Die Darstellung interpretiert, hilft dem Leser
des Originals durcha Aufhellung von Begriffen und Bezügen, durch Fragen und durch
ein Lebendigmachen im Umgang mit den Texten. Aber die Darstellung kann niemals
wiedergeben, was dem Philosophen vielleicht die Hauptsache war: jene besondere Be-
wegung im Denken, die nicht nur logischen Charakter hat, ja die am Massstab lehr-
buchmässiger Ordnung konfus erscheinen kann, die aber durch den Zusammenhang
jene philosophische Stimmung erzeugt und jene philosophischen Vollzüge ermög-
licht, welche Sinn und Ziel des ganzen Denkens sind, jene inneren Sprünge, die mit
plötzlichem Ruck geschehen, jenes Selbstwerdens des Denkenden, jene Entschlüsse,
die im Medium des Denkens zur Helligkeit kommen als eigentliche Träger des Lebens.
In meinem Werke, das »Philosophie« betitelt ist, ist jedes Kapitel - nicht das Gesamt-
werk - als ein in sich geschlossenes Ganzes gemeint, das in einem Zuge gelesen wer-
den muss und dessen Wahrheit nicht als ein Satz, nicht an einer Stelle, nicht in einem
Ergebnis da liegt, sondern durch die Bewegung erwachsen kann, die das Mitdenken
des Ganzen bringt. Es ist unmöglich, diese Art der Bewegung wiederzugeben. Darum
wäre es falsch, ihren Mangel einer reproduzierenden Darstellung vorzuwerfen.
Dafür bringt solcheb Darstellung nebst der Kritik etwas Neues, das den Autor der
Philosophie selber ermuntert. Dieses Buch ist nicht nur meine Philosophie, sondern
das Philosophieren der Herren Dufrenne und Ricoeur. Ihr Denken ist ein so ernstes, so
verstehendes, auch in der schärfsten Kritik nicht polemisches, sondern communica-
tives Philosophieren, dass ich mit grosser Dankbarkeit und Sympathie diesem Werk
und dem liebenswerten Geiste seiner Verfasser gegenüberstehe.
Heidelberg ...
a nach durch gestr. Erläuterung
b solche hs. Vdg. für die
Es kommt nur darauf an, welche Gestalt die Widersprüchlichkeit annimmt und in wel-
chem Masse sie bewusst und damit zwar nicht aufgehoben, aber überwunden wird, so
dass sie nicht mehr täuschen kann, wodurch der Sinn des ganzen Philosophierens und
seiner einzelnen Sätze erst in das rechte Licht rückt. Die kritische Arbeit der Verfasser
leistet hierzu einen wertvollen Beitrag.
Keine Darstellung einer Philosophie kann diese Philosophie selber in ihrem Wesen
zeigen. Das liegt in der Natur der Sache. Die Darstellung interpretiert, hilft dem Leser
des Originals durcha Aufhellung von Begriffen und Bezügen, durch Fragen und durch
ein Lebendigmachen im Umgang mit den Texten. Aber die Darstellung kann niemals
wiedergeben, was dem Philosophen vielleicht die Hauptsache war: jene besondere Be-
wegung im Denken, die nicht nur logischen Charakter hat, ja die am Massstab lehr-
buchmässiger Ordnung konfus erscheinen kann, die aber durch den Zusammenhang
jene philosophische Stimmung erzeugt und jene philosophischen Vollzüge ermög-
licht, welche Sinn und Ziel des ganzen Denkens sind, jene inneren Sprünge, die mit
plötzlichem Ruck geschehen, jenes Selbstwerdens des Denkenden, jene Entschlüsse,
die im Medium des Denkens zur Helligkeit kommen als eigentliche Träger des Lebens.
In meinem Werke, das »Philosophie« betitelt ist, ist jedes Kapitel - nicht das Gesamt-
werk - als ein in sich geschlossenes Ganzes gemeint, das in einem Zuge gelesen wer-
den muss und dessen Wahrheit nicht als ein Satz, nicht an einer Stelle, nicht in einem
Ergebnis da liegt, sondern durch die Bewegung erwachsen kann, die das Mitdenken
des Ganzen bringt. Es ist unmöglich, diese Art der Bewegung wiederzugeben. Darum
wäre es falsch, ihren Mangel einer reproduzierenden Darstellung vorzuwerfen.
Dafür bringt solcheb Darstellung nebst der Kritik etwas Neues, das den Autor der
Philosophie selber ermuntert. Dieses Buch ist nicht nur meine Philosophie, sondern
das Philosophieren der Herren Dufrenne und Ricoeur. Ihr Denken ist ein so ernstes, so
verstehendes, auch in der schärfsten Kritik nicht polemisches, sondern communica-
tives Philosophieren, dass ich mit grosser Dankbarkeit und Sympathie diesem Werk
und dem liebenswerten Geiste seiner Verfasser gegenüberstehe.
Heidelberg ...
a nach durch gestr. Erläuterung
b solche hs. Vdg. für die