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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0239
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Was ist Existentialismus?

heit der Neuzeit, Philosophie mit einem kennzeichnenden Beinamen zu versehen, er-
hielt die moderne Philosophie vorübergehend den Namen Existenzphilosophie. Sie
kann diesen Namen entbehren. Denn das ihr wesentliche ist die eine ewige Philoso-
phie, wie sie heute unter den Bedingungen unseres Zeitalters ihre Form und Sprache
sucht.
Existenzphilosophie337 kann als der Versuch der Überwindung des Nihilismus gel-
501 ten. Entweder wird der Nihilismus mit einer Tapfer|keit ergriffen, die als Tapferkeit sel-
ber schon nicht mehr Nihilismus ist. Oder es drängt darin und darüber hinaus eine
unabhängige Philosophie zur Wirklichkeit, die durch das Fegfeuer des Nihilismus ge-
gangen ist, diesen nie vergißt, aber aus dem Ursprung der Überlieferung wieder die Ge-
halte gewinnt, aus denen Menschsein wirklich wird.
Dann ist Existenzphilosophie die Philosophie, die nicht mit dem Erdenken des
Menschseins sich abschließt, sondern über den Menschen hinauskommt.338 Sie er-
greift, was selber erst den eigentlichen Menschen ermöglicht. Denn der Mensch ist
nicht ohne das absolut Andere, das vor ihm ist, an dem er sich mißt, von dem her er
♦ kommtund auf das zu er geht. Ob es das Nichts heißt oder das Tao, oder das Eine, oder
die Transzendenz, oder der Gott des Jeremias - es ist das »Sein«, auf das es ankommt,
und dessen wir in der kurzen Spanne unseres Lebens gewiß werden wollen. Existenti-
ell werden, das heißt im Ernst ein Mensch zu werden, und Mensch werden heißt, es
im Einklang oder im Bezug auf das Sein zu werden, durch das und in dem wir sind.
Existenz ist nicht ohne Transzendenz.
 
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