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Stellenkommentar
Oud-Studentenfonds 1906I die von ehemaligen Studenten der Reichsuniversität gegrün-
dete und finanzierte Stiftung organisierte »wissenschaftliche Vorträge, vor allem ausländi-
scher Gelehrter, in der Groninger Aula« (Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt 31/1 (1933) 699;
zu den Statuten der Stiftung vgl. Jaarboek der Rijksuniversiteit te Groningen (1915/16) 166-168).
Platos siebtem Briefl Epistulae VII, 341c-d.
Gerardus van der Leeuw (1890-1950), Prom. 1916 in Leiden, seit 1918 o. Prof, für Religi-
onsgeschichte, Theologie und ägyptische Philologie in Groningen; 1934/35 Rektor der Uni-
versität Groningen; während der deutschen Besatzung kurzzeitig interniert, wurde van der
Leuuw 1945/46 Bildungsminister der ersten niederländischen Nachkriegsregierung unter
Willem Schermerhorn. -Jaspers und van der Leeuw waren befreundet, den Groninger An-
lass bereitete van der Leeuw durch eine eigene Präsentation vor (»De beteekenis van Karl
Jaspers«, De Gids 99 (1935) 307-322, vgl. Jaarboek der Rijksuniversiteit te Groningen (1935) 46);
1943 beteiligte er sich mit einem Essay über den »anthropologischen Ort des Zweifels« an
der von Oskar Hammelsbeck initiierten Privat-Festschrift zu Jaspers' 60. Geburtstag (vgl.
W. Vos: »Dr. G. van der Leeuw. Bibliographie zijner geschriften«, in: W. J. Kooiman, J. M.
van Veen (Hg.): Pro regno Pro sanctuario, Nijkerk 1950, 555-638, 607). Van der Leeuws Reli-
gionsphänomenologie, eine kulturgeschichtliche Analyse des »philosophischen Glaubens«
avant la lettre, greift in methodischer Hinsicht v.a. auf Jaspers' Unterscheidung zwischen
Phänomenologie und verstehender Psychologie zurück (vgl. J. Kehnscherper: Theologisch-
philosophische Aspekte der religionsphänomenologischen Methode des Gerardus van der Leeuw,
Frankfurt a.M. 1998, 42-64).
2 im Frühjahr 1935I vom 25. bis 29. März. - Jaspers hatte van der Leeuw zunächst einen spä-
teren Termin vorgeschlagen, »keinesfalls vor Mitte April«, besser noch im Oktober: »mein
gegenwärtig in Arbeit befindliches Buch, das im Winter herauskommen soll, kann ich lei-
der nicht unterbrechen« (K. Jaspers an G. van der Leeuw, 1. Juli 1934). Das genannte Buch,
anfangs im kleinen Format als »Nietzschebüchlein« für die Sammlung Göschen bestimmt,
verzögerte sich jedoch um zwei Jahre: Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philo-
sophierens (Berlin 1936). Die speditive Publikationsabwicklung in Groningen (vgl. oben
S. XVII) tat ein Übriges, dass Vernunft und Existenz vor der Nietzsche-Monographie auf den
Markt kam, werkbiographisch ein gewisser Anachronismus. Denn aus dem in der ersten
Vorlesung durchgeführten Vergleich Nietzsches mit Kierkegaard (S. 8-24) ergab sich für Jas-
pers eine neue, das Work in progress bereits überschreitende Perspektive - wie er im Nach-
hinein einräumte (K. Jaspers an A. Weber, 19. Dezember 1944, in: A. Weber: Ausgewählter
Briefwechsel. Hg. von E. Demm und H. Soell, München 2003, 486-487): »Mein Buch über
[Nietzsche] habe ich mir wohl sauer werden lassen, aber ich bin doch nicht zufrieden.
Manchmal möchte ich noch ein zweites Buch schreiben, um seine ganze furchtbare Größe
zu zeigen und seine unumgängliche Wahrheit. Das könnte nur glücken, wenn er mit Kier-
kegaard sichtlich in eins gesehen würde«, vgl. auch oben S. 9, Anm. a: »Für die Aneignung
beider ist es von Bedeutung, sie gleichzeitig zu studieren, damit sie sich gegenseitig inter-
pretieren. Was ihnen gemeinsam ist, ist das Wesentliche.«
Die vom Heidelberger Rektor Wilhelm Groh unterzeichnete Ausreisegenehmigung für
Groningen erhielt Jaspers am 6. März (UAH PA Jaspers); wie intensiv das Rektorat den Vor-
gang verfolgte, ist unklar. Das REM jedenfalls legte schon 1934 in einem Schreiben an die
»Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen< Wert auf die Feststellung, es sei
Stellenkommentar
Oud-Studentenfonds 1906I die von ehemaligen Studenten der Reichsuniversität gegrün-
dete und finanzierte Stiftung organisierte »wissenschaftliche Vorträge, vor allem ausländi-
scher Gelehrter, in der Groninger Aula« (Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt 31/1 (1933) 699;
zu den Statuten der Stiftung vgl. Jaarboek der Rijksuniversiteit te Groningen (1915/16) 166-168).
Platos siebtem Briefl Epistulae VII, 341c-d.
Gerardus van der Leeuw (1890-1950), Prom. 1916 in Leiden, seit 1918 o. Prof, für Religi-
onsgeschichte, Theologie und ägyptische Philologie in Groningen; 1934/35 Rektor der Uni-
versität Groningen; während der deutschen Besatzung kurzzeitig interniert, wurde van der
Leuuw 1945/46 Bildungsminister der ersten niederländischen Nachkriegsregierung unter
Willem Schermerhorn. -Jaspers und van der Leeuw waren befreundet, den Groninger An-
lass bereitete van der Leeuw durch eine eigene Präsentation vor (»De beteekenis van Karl
Jaspers«, De Gids 99 (1935) 307-322, vgl. Jaarboek der Rijksuniversiteit te Groningen (1935) 46);
1943 beteiligte er sich mit einem Essay über den »anthropologischen Ort des Zweifels« an
der von Oskar Hammelsbeck initiierten Privat-Festschrift zu Jaspers' 60. Geburtstag (vgl.
W. Vos: »Dr. G. van der Leeuw. Bibliographie zijner geschriften«, in: W. J. Kooiman, J. M.
van Veen (Hg.): Pro regno Pro sanctuario, Nijkerk 1950, 555-638, 607). Van der Leeuws Reli-
gionsphänomenologie, eine kulturgeschichtliche Analyse des »philosophischen Glaubens«
avant la lettre, greift in methodischer Hinsicht v.a. auf Jaspers' Unterscheidung zwischen
Phänomenologie und verstehender Psychologie zurück (vgl. J. Kehnscherper: Theologisch-
philosophische Aspekte der religionsphänomenologischen Methode des Gerardus van der Leeuw,
Frankfurt a.M. 1998, 42-64).
2 im Frühjahr 1935I vom 25. bis 29. März. - Jaspers hatte van der Leeuw zunächst einen spä-
teren Termin vorgeschlagen, »keinesfalls vor Mitte April«, besser noch im Oktober: »mein
gegenwärtig in Arbeit befindliches Buch, das im Winter herauskommen soll, kann ich lei-
der nicht unterbrechen« (K. Jaspers an G. van der Leeuw, 1. Juli 1934). Das genannte Buch,
anfangs im kleinen Format als »Nietzschebüchlein« für die Sammlung Göschen bestimmt,
verzögerte sich jedoch um zwei Jahre: Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philo-
sophierens (Berlin 1936). Die speditive Publikationsabwicklung in Groningen (vgl. oben
S. XVII) tat ein Übriges, dass Vernunft und Existenz vor der Nietzsche-Monographie auf den
Markt kam, werkbiographisch ein gewisser Anachronismus. Denn aus dem in der ersten
Vorlesung durchgeführten Vergleich Nietzsches mit Kierkegaard (S. 8-24) ergab sich für Jas-
pers eine neue, das Work in progress bereits überschreitende Perspektive - wie er im Nach-
hinein einräumte (K. Jaspers an A. Weber, 19. Dezember 1944, in: A. Weber: Ausgewählter
Briefwechsel. Hg. von E. Demm und H. Soell, München 2003, 486-487): »Mein Buch über
[Nietzsche] habe ich mir wohl sauer werden lassen, aber ich bin doch nicht zufrieden.
Manchmal möchte ich noch ein zweites Buch schreiben, um seine ganze furchtbare Größe
zu zeigen und seine unumgängliche Wahrheit. Das könnte nur glücken, wenn er mit Kier-
kegaard sichtlich in eins gesehen würde«, vgl. auch oben S. 9, Anm. a: »Für die Aneignung
beider ist es von Bedeutung, sie gleichzeitig zu studieren, damit sie sich gegenseitig inter-
pretieren. Was ihnen gemeinsam ist, ist das Wesentliche.«
Die vom Heidelberger Rektor Wilhelm Groh unterzeichnete Ausreisegenehmigung für
Groningen erhielt Jaspers am 6. März (UAH PA Jaspers); wie intensiv das Rektorat den Vor-
gang verfolgte, ist unklar. Das REM jedenfalls legte schon 1934 in einem Schreiben an die
»Unterrichtsverwaltungen der Länder mit Hochschulen< Wert auf die Feststellung, es sei