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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0256
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Stellenkommentar

195

»erste und letzte Erklärung« im Anhang zur Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift;
Kierkegaard sagt dort von seinen Pseudonymen, ihre Bedeutung liege »darin, daß sie keine
Bedeutung haben wollen, darin, daß sie im Abstand der Ferne der Doppelreflexion die Ur-
schrift der individuellen, humanen Existenzverhältnisse, das Alte, Bekannte und von den
Vätern Überlieferte solo noch einmal, womöglich auf eine innerlichere Weise, wieder le-
sen wollen«.
32 Unter »indirekter Mitteilung< versteht Jaspers zum einen die »Einstellung« oder »Erfah-
rung«, dass in der Kommunikation Individualität nur im Modus des Allgemeinen, und da-
mit stets approximativ, zur Sprache kommt. »Indirekte Mitteilung heißt, daß bei stärkstem
Klarheitsdrange und allem Suchen nach Form und Formeln kein Ausdruck zureichend ist
und der Mensch sich dessen bewußt wird, daß alles Kommunizierte, das direkt da, sagbar
ist, letzthin das Unwesentliche, aber zugleich indirekt Träger des Wesentlichen ist.« Gerade
diese Erfahrung aber des »Direkten als eines Mediums, in dem noch ein anderes wirkt«
drängt zu weiterer Kommunikation: »Die indirekte Mitteilung ist ein Faden, der von
Mensch zu Mensch das Wesentliche zu verbinden mag, ohne es durchleuchten zu können.
[...] Darum der größte Klarheitsdrang zugleich Kommunikationsdrang ist und doch alle
Klarheit umfaßt ist von dem Dunklen, das indirekt da ist« (Psychologie der Weltanschauun-
gen, 378). Als Methode dagegen hat die indirekte Mitteilung den entgegengesetzten Effekt,
Kommunikation abzublocken, um den Angesprochenen in ein eigenes Verhältnis zum Mit-
geteilten zu bringen. Orientiert am sokratischen Modell der Mäeutik setzt Kierkegaard da-
bei voraus, dass der Empfänger, durch Gewissen oder Offenbarung präpariert, das Mitge-
teilte - im Prinzip - schon weiß (und >kann<). Was direkt gesagt wird, ist deshalb nicht
länger Medium, in dem sich indirekt etwas anderes zeigt, sondern ein Impuls, der den An-
gesprochenen zur Reflexion auf sich, im Falle des Ethischen zum verantwortlichen Han-
deln, im Falle des Religiösen zur ernsthaften Übernahme seiner selbst vor Gott zwingt. In
diesem Sinne, so Jaspers, sei Kierkegaards pseudonymes Werk zu lesen: »als ob [er] sagen
wollte: Folge nicht mir nach, es kommt auf dich an - nur an Gott kannst du dich halten,
an keinen Menschen, am wenigsten an mich« (»Kierkegaard. Zu seinem 100. Todestag«,
315, vgl. »Kierkegaard Heute«, 323 und S. Kierkegaard: »Die Dialektik der ethischen und der
ethisch-religiösen Mitteilung«, T 2,111-127, 124: »Es bleibt nur ein einziger Mitteiler: Gott«).
- Zu den skizzierten Aspekten der indirekten Mitteilung ausführlich A. Hügli: »Indirekte
Mitteilung: Karl Jaspers und die Kierkegaardsche Frage nach den Grenzen der Mitteilbar-
keit«, in: Einsamkeit - Kommunikation - Öffentlichkeit. Hg. von A. Hügli et al., Basel 2004,
153-167.
33 Vgl. S. Kierkegaard: Die Krankheit zum Tode. Übersetzt und mit Nachwort von H. Gottsched,
Jena 1911, GWj 8, 91 (GW 7, 193; SKS 11, 206): »Und ganz dasselbe ist eigentlich das Geheim-
nis der ganzen neueren Philosophie; denn dieses ist jenes cogito ergo sum, Denken ist das
Sein. Christlich heißt es dagegen: dir geschehe wie du glaubst, oder: wie du glaubst, so bist
du; das Glauben ist Sein.«
dir geschehe wie du glaubst! Mt 8, 13.
34 Vgl. Nietzsche, 297-318.
35 Jaspers unterscheidet Signa (der Existenz) von Phänomenen (der Realität) und Chiffren (der
Transzendenz), vgl. Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, KJG I/13, 215-217.
Signa sind Begriffe wie »Freiheit«, »Entschluss« oder »Kommunikation«, die an Existenz
 
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