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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0279
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218

Stellenkommentar

»Vom Christentum«, berichtet Jaspers in »Elternhaus und Kindheit« (84), habe er »erst
in der Schule gehört, [...] als ich schon, wenn auch dunkel, einen anderen Grund meines Le-
bens gewonnen hatte. [...] Unsere Eltern erzogen uns ohne Kirche. Niemand lehrte uns be-
ten.« Was ihm Umwege ersparte, wie er in einem Brief erläutert: »Die Stelle, liebe Mutter, wo
ich sage: niemand lehrte uns beten usw. - muss ich noch besser ausführen. Ich sehe darin
keinen Mangel. Ich bin auch für diese Seite Eurer Erziehung dankbar. Denn dadurch habe
ich die ganze Unbefangenheit mit auf den Lebensweg bekommen, aus der ich, ohne Kämpfe
mit einer übernommenen kirchlichen Religion - darum ohne christliche >Komplexe< - der
Wirklichkeit als solcher mich philosophisch zuwenden konnte. Wer aus einer Polemik ge-
gen das Christentum philosophiert, ist befangen. Ich konnte ganz natürlich in meinem Phi-
losophieren ein Platoniker werden - dass heisst ein blosser Philosoph - und am Ende durch
Plato-Studium finden, wie sehr ich ihm verwandt bin. Die Gehalte des Lebens - Wahrhaf-
tigkeit, Liebe, Treue - kamen als Substanz durch Euch in unser Leben, ohne dass viel davon
geredet wurde: das war die positive Erziehung. [...] Jedenfalls hängt meine Philosophie mit
dem in der Kindheit gelegten Fundament zusammen und wäre nicht so >rein< - falls sie es
wirklich ist -, wenn ich das Christentum noch zu überwinden gehabt hätte. Alle diese ent-
laufenen Christen werden in der Philosophie irgendwie glaubenslos, Atheisten. Das hatte
ich dank Eurer Erziehung garnicht nötig. So fühle ich mich im Zusammenhang mit
allem Menschlichen, ob in China, in Indien oder bei uns« (K. Jaspers an H. Jaspers, 28. Mai
1938).
215 Zum Bild der weitergereichten Fackel vgl. Die geistige Situation der Zeit, 184 - von der »Kraft
des Selbstseins« heißt es dort, sie sei »der Glaube, der philosophisch ist und sich in der Kette
der Einzelnen, welche sich die Fackel reichen, neu erzeugen kann«-, Philosophie II, 326 und
III, 183; bezogen auf Max Weber: Max Weber, 483.
216 Willenl EA: Willen NA: Wissen
217 Musik der Spekulation! Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen metaphysischer
Spekulation und Musik stellt Jaspers in Philosophie I, 57-58 und 340 her, vgl. auch Einfüh-
rung in die Philosophie, 119 (mit Bezug auf Plotin) und Schelling, 227.
218 Die Metapher vom »Star stechen« verwendet Jaspers oft: Von der Wahrheit, 501, 966; Ver-
nunft und Widervernunft in unserer Zeit, 46; Provokationen, 35.
219 Zur negativen Theologie bei Jaspers vgl. D. Westerkamp: Via negativa. Sprache und Methode
der negativen Theologie, München 2006, 187-188.Jaspers gebraucht den Ausdruck »negative
Theologie« hier allerdings in einem Sinne, der den Vorwurf, seine Philosophie sei »ver-
kappte Theologie«, umkehrt und zurückgibt: Das »schlechthin Humane« als »eigentüm-
lich christlich« usurpierend, ist die Theologie verkappte Philosophie. Gegen diesen Über-
griff behauptet sich die Philosophie als negative Theologie, indem sie der Theologie die
ursprünglich »philosophischen Gedanken« wieder entzieht (zur Strategie der anima natu-
raliter christiana auch: Von der Wahrheit, 835).
220 In einem Brief an Ernst Mayer (6. November 1937) berichtet Jaspers »drei Anekdoten wirk-
licher Erlebnisse mit Studenten«, die zweite lautet: »Vor etwa 8 Jahren: Ebenso ein Student:
>Herr Professor, ich habe diese Wochen, glaube ich, alles verstanden. Nur das Transcendie-
ren verstehe ich nicht. Können Sie mir nicht sagen, was >Transcendieren< ist?< Darauf ich
(nachdem ich wochenlang nichts anderes getan hatte als dies und da die Frage geradezu
fürchterlich war in ihrem Verstandesanspruch): »Sehr einfach. Übersetzen Sie: Transcen-
 
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