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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0062
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Grundsätze des Philosophierens

59

Die Mythen von Paradies Vertreibung und Erbsünde werden unwahr, wenna in ihnen
ausfällt, wodurch Gott uns hilft. Gott hilft uns durch unser Selbstseinb, durch das, was
erc im Selbst als Freiheit und als Gehalt der Freiheit uns unbegreiflich schenkt, als ob es
angeborene Artung wäre, als die es doch niemals festzustellen ist. Gott hilft uns ur-
sprünglich durch jenen Adel in uns, diesen bildlosen Grund der Bilder, die uns führen.64
d. Der Weg des Menschen geht aus von dem Glauben an seine Möglichkeit. - Das
Ungenügen des Menschen wird ihm nur fühlbar, weil er den hohen Anspruch in sich
kennt, der Abgrund des Verfalls0 nur, weil er die hohen Möglichkeiten erblickt. Aber
diese Polaritäten von Ungenügen und Anspruch, von Verfall und Möglichkeit, von
ohnmächtiger Bindung6 und des der unbedingten Forderung gehorchenden Könnens,
von Verlorenheit und Freiheit, in denen das Selbstbewusstsein des Menschen erwächst,
sind nicht da als empirische Realitäten; sie sind wirklich nur in seinemf Glauben.
Durch diesen ist er® eines Unsichtbaren, das nicht feststellbar ist, gewiss. Aus diesem
Glauben geht er seinen Weg, wenn er überhaupt einen Weg geht und nicht bloss ein
ablaufendes Naturgeschehen bleibt. Nur der Glaube wird sich der Verlorenheit und
der Möglichkeiten im Ganzen bewusst.
Daher gibt es in der Endlichkeit und Unvollendbarkeit des Menschen nicht nur die11
Verzweiflung, sondern auch den Weg seines hebens* 1. Dieser Weg ist der der Wahrhaf-
tigkeit und der Reinheit' seiner Seele, diesen Bedingungen der Verwirklichung ihrer
Gehalte. Beide aber sindk ein Seinkönnen, sind selber1 ein unvollendbares Auf-dem-
Wege-sein.
Die Gefahr des Menschen ist die falsche Selbstgewissheit, als ob er schon sei, was
er sein könne. Der Glaube, welcher Antrieb ist und Hoffnung, wird dann ein fälschli-

a werden unwahr, wenn im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu sind unzureichend, weil
b Gott hilft uns durch unser Selbstsein im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Der Mensch ist durch
Paradiesvertreibung und Erbsünde in seiner Verfallenheit gesehen, in seiner Grösse aber erst in
dem, wodurch Gott hilft. Der griechische Mythus macht Prometheus zu diesem Helfer, der christ-
liche Mythus Christus. Beide Mythen können nur reflektieren, was jeder Mensch als Einzelner
dann erfährt, wenn Gott ihm hilft durch sein Selbstsein
c er im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Gott
d Abgrund des Verfalls im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Verfall
e Bindung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Fesselung
f seinem im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu unserem
g er im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu der Mensch
h die im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
i auch den Weg seines Lebens im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Aufschwung
j Dieser Weg ist der der Wahrhaftigkeit und der Reinheit im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Er
kann den Weg gehen zur Wahrhaftigkeit und Reinheit
k Beide aber sind im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Aber er bleibt
1 sind selber im Vorlesungs-Ms. 1945/46gestr.
 
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