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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0080
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Grundsätze des Philosophierens

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ständig Verfehlen droht, ist die entwickelnde Darstellung des Positiven durchdrungen
von negativen Urteilen, von Abgrenzung und Abwehr, von Apologetik und Polemik.
Solange aber philosophiert wird, ist dieser Kampf nicht Kampf um Macht, sondern
Kampf als Weg des Hellwerdens im Infragegestelltsein, Kampf um Klarheit des Wah-
ren, in dem alle blossena Waffen des Intellekts dem Gegner ebenso zur Verfügung ge-
stellt werden wie dem Ausdruck des eigenen Glaubens.80
Zur direkten Aussage gezwungen bin ich im Philosophieren, wo geradezu gefragt
wird: Gibt es Gott? gibt es unbedingte Forderung im Dasein? ist der Mensch vollend-
barb? gibt es Führung durch Gott? ist das Weltdasein schwebend und verschwindend? -
Zur Antwort werde ich umso entschiedener gezwungen, wenn die Aussagen der Glau-
benslosigkeit entgegenstehen, welche etwa lauten:
Es ist kein Gott, denn es gibt nur die Welt und die Regeln ihres Geschehens; die
Welt ist Gott.
Es gibt kein Unbedingtes, denn die Forderungen, denen ich folge, sind entstanden
und bedingt durch Gewohnheit, Übung, Überlieferung, Gehorsam; alles steht unter
Bedingungen im Endlosen.
Es gibt den vollendeten Menschen, denn der Mensch kann ein so wohlgeratenes
Wesen sein wie das Tier; man wird ihn züchten können. Es gibt keine grundsätzliche
Unvollendung, keine »Erbsünde«, welche Gestalt ihre Auffassung auch annehmen
mag, kein Brüchigsein des Menschen im Grunde. Der Mensch ist kein Zwischensein,
sondern fertig und ganz. Wohl ist er wie alles in der Welt vergänglich, aber er ist eigen-
gegründet, selbständig, sich genug in seiner Welt.
Es gibt keine Führung durch Gott; dasc ist eine Illusion und eine bequeme0 Selbst-
täuschung. Der Mensch hat die Kraft, sich selbst zu folgen, und kann sich auf die ei-
gene Kraft verlassen.
Die Welt ist alles, ihre Realität ist die einzige und eigentliche Wirklichkeit. Da es
keine Transzendenz gibt, ist zwar in der Welt alles vergänglich, die Welte aber absolut,
ewig, nicht verschwindend, kein schwebendes Übergangssein.
Solchen Aussagen der Glaubenslosigkeit gegenüber ist philosophisch erstens zu be-
greifen, woher sie kommen. Sie werden ermöglicht durch Gedanken der »Aufklärung«,
wenn diese sich von ihrem Vernunftgrunde gelöst hat zu reinem Verstandesdenken.
Sie werden wirklich durch Ausbleiben der Kraft des umgreifenden Glaubens, dessen
Gegenwart in mir und um mich jene leerenf Aussagen verwehrt.

a blossen im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
t> vollendbar im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu unvollendbar
c das im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu diese Führung
d bequeme im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
e nach Welt im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. selber
f leeren im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu glaubenslosen
 
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