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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0117
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Grundsätze des Philosophierens

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finden (1). Dann erörtern wir die Vieldeutigkeit der Situation (2). Aus den Situationen
erwächst unser Handeln; Handeln ist der Weg unserer Welterfassung und zugleich un-
seres Selbstwerdens (3). Im Handeln verwirklichen wir die Weise unserer ursprüngli-
chen Ergriffenheit vom Sein (4). Aus der Praxis des Handelns und aus unserer Ergrif-
fenheit entfaltet sich unser umgreifendes Seinsbewusstsein und erleuchtet wiederum
die Wege des Handelns (5). Das Seinsbewusstsein schliesst sich jedoch als Weltwissen
nicht ab, vielmehr erfahren wir die Unverlässlichkeit allen Weltseins (6) und dadurch
den Anspruch der Weltüberwindung (7). In der Weise, wie wir die Welt überwinden,
vollenden wir, soweit es gelingt, unser Zurechtfinden in der Welt.
1. Die Grunderfahrung des Sichfindens in der Welt. - Zum Bewusstsein erwacht,
finden wir uns in unserer Welt. Die Welt ist immer schon gegeben in einer jeweils be-
stimmten Situation, in der auch wir selber uns gegeben sind, wie wir schon wurden,
bevor wir es gewusst und gewollt haben.
Aber Welt und wir selber sind uns nicht endgiltig. Die Situation zeigt vielmehr
beide als wandelbar. Die Situation ändert sich und zeigt die Welt auf neue Weise; wir
selber verwandeln uns und vermögen neu zu sehen. Daher sprechen die Situation und
wir selber uns an als Aufgabe. Wir sind nicht bestimmt, zu bleiben, wie wir nun ein-
mal sind, die Gegebenheit zu lassen, wie sie nun einmal ist, sondern es geht wie eine
Forderung an uns, einzugreifen. Was ist, ist Möglichkeit; Situation bedeutet Chance;
das Vorübergehende ist eine nie wiederkehrende Gelegenheit. Der Gang des Gesche-
hens ist ein Schicksal, an dem wir durch eigenes Tun beteiligt sind.
Nirgends ist für uns der Anfang. Von wo wir ausgehen, da war schon vorher, was
uns trägt, was uns hervorgebracht hat und uns in der Folge bedingt. Wo wir anfangen,
setzen wir nur fort. Aber in allem so Gewordenen kann doch der Ursprung gegenwär-
tig sein. Wo wir des Seins inne werden, sind wir trotz des Ganges in der Zeit, ohne am
Anfang und am Ende zu sein oder beide auch nur zu erblicken, im Ursprung: in der
wandelbaren Erscheinung der Welt können wir aus dem Ursprung leben.
Als endliche Wesen finden wir uns in einer Welt, in der wir uns orientieren, end-
los und unabschliessbar. Uns selbst finden wir in der Welt, wenn wir aus dem Ursprung
leben und des Ursprungs inne werden.
2. Die Vieldeutigkeit der Situation. - Die bestimmten Situationen sind endlos wan-
delbar, nie völlig gleich, für jeden Menschen anders. Darin aber ist ein Durchgehen-
des, allen Menschen Gemeinsames: die menschliche Grund Situation. Dass wir unser
Dasein durch Tätigkeit, Nahrungsaufnahme, Umweltgestaltung erhalten, mit Dingen
umgehen, Gegenstände in Subjekt-Objekt-Spaltung uns gegenüber haben, uns als eine
Vielheit von Menschen begegnen usw., das alles gehört zur Grundsituation. Sie ist das
Allgemeine an der Situation, das unwandelbar ist und in den jeweils besonderen Situa-
tionen in Abwandlungen wiederkehrt.97
 
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