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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0134
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Grundsätze des Philosophierens 131
Mit dem Wissen um die Vergänglichkeit alles Seienden in der Welt ist verbunden
die Liebe zu diesem Seienden, daher der Wille zur Verwirklichung, zur Aneignung, zu
Erfahrung und Forschung als Weg der Weltüberwindung in der Zeit.
Die Selbstbehauptung als Dasein ist Voraussetzung der Realität, die Hingabe des
Daseins durch Existenz die unerlässliche Erscheinung der Wirklichkeit.
In der Einsenkung bleibta die Schwebeb der Realität. Im Tun vollzieht sich das Da-
sein, als ob es sich nicht selbst vollziehe.
Gleichnisse für das Aneinandergebundensein des sich Fremdesten - der empiri-
schen Realität und der ewigen Wirklichkeit - in demselben Grundtatbestand sind: Die
Seele ist eingegangen in den Leib wie in ein Gefängnis. In der Zeit ist die Stätte der Be-
währung und Prüfung. Es ist ein Leben zwischen zwei Welten. Alles ist wirklich nur im
Übergang.
cc. Weltüberwindung im Allverstehen: Im Wissen erhebt sich der Mensch über
seine beschränkte Realität. Er kann wissen, was er nicht ist, verstehen, was er nicht
selbst vollzieht, anerkennen, was er nicht selbst erlebt. Er hat die Möglichkeit des
Sicherweiterns zum Menschsein im Ganzen, aber nur in der verstehenden Phantasie.
Denn als geschichtlicher Mensch ist er bestimmt, ist er nicht alles, ist er, was er ist,
durch seine Identität mit einem objektiv Eingeengten.
Durch das Sicherweitern in der Möglichkeit vermöge des Verstehens noch des
Fremdesten gerät der Mensch in die Gefahr inneren Unsicherwerdens, aber gewinnt
zugleich damit und allein dadurch die Chance innerer Freiheit, aus der er[,] statt frag-
los und blind, erst in Klarheit entschieden und unbeirrbar werden kann. Sein Denken
in allen Räumen des Möglichen bestätigt ihn in der Klarheit seines geschichtlich kon-
kreten Tuns, das er gerade dann mit verlässlicher Kraft vollziehen kann, wenn er es
nicht im Objektiven verabsolutiert. Vermöge der Ungebundenheit seines Wesens kann
er gerade die Wahrheit seiner Bindung erfahren; und umgekehrt kann er im Dabeisein
bei der Welt zugleich darüber hinaus sein. So vermag er zu handeln, als ob er nicht
handle, vermag er in seiner geschichtlichen Einsenkung zu leben, als ob er zugleich
ausserhalb sei. Das würde zwar Verrat an der Existenz, wenn es Reserve wäre, die vor
vollem Einsatz zurückhält; dagegen wird es aus der Gegründetheit in der Transcendenz
zur Steigerung der Handlungskraft und des Menschseins.
Diese Weise der Weltüberwindung aus dem Allverstehen gleitet leicht ab in aesthe-
tische Unverbindlichkeit. Wenn wir in blosser Betrachtung die Weltmöglichkeiten er-
blicken, so haben wir die Welt noch keineswegs überwunden. Denn während wir uns
unverbindlich erbauen, bleiben wir tatsächlich befangen in zufälliger Enge unserer
Fakticität.

a nach bleibt im Ms. gestr. gleichsam
b Schwebe im Ms. hs. Vdg. für Suspension
 
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