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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0137
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Grundsätze des Philosophierens

wickelt, obgleich sie dem Gehalt nach unter zeitlosen Massstäben nur die untergeord-
nete Rolle eines Hilfswissens in der Philosophie spielen. -
Im III. Teil vergegenwärtigten wir unser Sichzurechtfinden in der Welt, letzt im IV. Teil
soll unser Sichzurechtfinden durch Wissenschaft in der Welt erörtert werden. Wie ver-
halten sich beide zueinander?
Wissen ist ein Faktor im Sichzurechtfinden und war dies jeder Zeit. Wissenschaft
in dem entfalteten Sinne methodischer Weltorientierung aber ist ein Erwerb erst der
neueren Jahrhunderte. Auch in dieser Gestalt bleibt Wissen ein blosses Moment im
Sichzurechtfinden, kann dieses im Ganzen nicht bewirken, nicht begründen, nicht
vollenden. Alles wissende Sichzurechtfinden wird zurückverwiesen auf ein tieferes, es
selber noch begründendes und führendes Sich-in-der-Welt-Finden.
Wissenschaft geht auf die Orientierung im gegenständlich Distancierten durch Er-
kennen; Sichzurechtfinden in der Welt im Ganzen geht auf eine Grundhaltung, in der
ich selbst werde. Wissenschaft wird Mittel und Thema auch des Philosophierens; Sich-
zurechtfinden in der Welt ist selber Philosophieren. Wissenschaft ist grenzenlose Be-
wegung, schliesst sich nicht ab, kann keinen Boden finden; Sichzurechtfinden in der
Welt geht auf Innewerden der Ruhe im Sein, vollendet sich jeweils in einem Gesamt-
bewusstsein, vergewissert sich des Bodens.
Mit der Wissenschaft verändert sich die Weise des Sichzurechtfindens. Es wird ge-
steigert durch Klarheit, wird gebunden an Unumgänglichkeiten der Realität, wird an
die Grenzen getrieben, wo die Grundfragen der letzten Entscheidungen unüberhörbar
werden.
Aber wie durch Bindung an die Gesamtheit des wissenschaftlich Wissbaren das
Sichzurechtfinden in der Welt verwandelt wird, ist auch nicht abzusehen. Wir stehen
am Anfang. Die Forderung, uns an das Wissbare zu binden als an eine Voraussetzung,
die nicht ohne Schuld vernachlässigt werden darf, ist auch heute keineswegs verwirk-
licht und nur wenigen Menschen in ihrer vollen Bedeutung zu eigen.
i. Wissenschaft
a. Wissenschaft überhaupt
Wie wir die Dinge in der Welt kennen, unsere Situation auffassen, als was wir das Ein-
zelne und das Ganze wollen, das ist jederzeit durch die Inhalte der gewohnten Spra-
che gelenkt. Unklar zwar und widerspruchsvoll, unbestimmt und in Bedeutungen
schwankend, aber bedeutungsvoll lernt der Mensch schon mit der Sprache die Welt
und sich in ihr kennen.
Es ist eine Revolution des Seinsbewusstseins und seiner Möglichkeiten, wenn der
Mensch von solchem Wissen zur Wissenschaft kommt:
 
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