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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0217
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Grundsätze des Philosophierens

fen. Solche Bilder sind verwickelter, eindringender, auf mannigfaltigere Tatsachen ge-
gründet als frühere Bilder vom Urwirbel als Ausgang der Weltentstehung.165 Aber niemals
ist das Ganze der Welt wirklich Gegenstand geworden. Es sind Bilder von Zusammenhän-
gen, die jedoch nie an die Grenze eines Weltganzen kommen, das abgeschlossen wäre.
Es sind immer relativ äusserliche Aspekte, die sich auf quantitative, universale Bestim-
mungen der Materie beziehen. Der Kosmos muss in sich schliessen, was der Reichtum
der Erscheinungen, das Leben, den Menschen ermöglicht. Vergebliche Bemühungen
sind es, in diese Verborgenheit einzudringen durch Astrologie, durch Spekulationen über
kosmisches Leben, Gestirnseelen und Dämonen.
ee. Die Zerrissenheit des Weltseins und der Sinn des Suchens der Einheit: Die Ent-
wicklung der Physik zeigt, dass hier der grossartige Fortschritt zur Vereinheitlichung
bis dahin getrennter Tatsachengebiete unter gemeinsamen Voraussetzungen geführt
hat, bis in der Atomphysik die bisher tiefgehendste Einheit erreicht wurde. Es konnte
als sinnvolle Aufgabe erscheinen, alle Rätsel der Natur auf ein Rätsel zurückzuführen.
In diesem einen Rätsel wäre dann die Einheit der Natur ergriffen.
Es ist, als ob der Forscher die Welt als ein Ganzes vor sich habe, ihr Wesen, wenn nicht
mehr als Maschine, so doch als Gebilde aus einem oder einer begrenzten Anzahl von
Principien entwürfe, erklärte, durchschaute. Das aber ist unmöglich. Die Einheit der Na-
tur kann nicht in einem Princip (ap%ij) liegen, aus dem alles abgeleitet und erklärt würde.
Die Welt ist für die Erkenntnis ungeschlossen und zerrissen. Erkenntnis, wenn sie
kritisch wird, bringt das immer deutlicher an den Tag. An den Grenzen des Naturwis-
sens stehen die Zerrissenheiten des Erkennbaren in den Sprüngen (und stehen die Un-
lösbarkeiten, die früher erörtert wurden).
Dann ist die Frage, in welchem Sinne noch Natureinheit möglich bleibt. Denn eine
beziehungslose Zerrissenheit wird nicht behauptet. Alles kann zu allem in Beziehung ste-
hen. Es muss in Beziehung stehen, um für uns überhaupt da zu sein. Was in absoluter, be-
ziehungsloser Trennung wäre, das wäre für unser Denken nicht mehr auffassbar. Was im-
mer wir auffassen, müssen wir in Beziehung zu anderem auffassen. Es gibt für uns nur
eine Welt, in der das, was für uns ist, vorkommt und zu anderem Vorkommenden Bezie-
hung hat. Erst innerhalb dieser Beziehungen sind die Sprünge, welche von einer Zerris-
senheit zu sprechen zwingen. Die Beziehungen selber aber suchen wir jeweils unter Ein-
heitsideen. Solche Einheiten durchdringen das Weltganze. Aber sie sind nie das
Weltganze, sondern Einheiten im Weltganzen. Diese sind wiederum auf einander bezieh-
bar. So öffnet sich ein grenzenloser Raum für unser Suchen und Finden von Einheiten in
der Welt, die uns zunächst als vermeintliche Welteinheit täuschen können. Statt die Ein-
heit irgendwo als einzige und letzte zu fassen, suchen wir im Grenzenlosen die Bezüge
der Erscheinungen unter Ideen von Einheiten. In der Offenheit gegenüber dem Unge-
schlossenen erfahren wir solche Einheiten zugleich mit einem Hindurchschauen durch
die Natur, das uns Ausgang wird für die Wege transcendierenden Denkens.
 
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