Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0246
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grundsätze des Philosophierens

243

und Urteil angesichts der Weltwirklichkeit frei halten. Die Folge wäre, dass er nicht
nur ritterlich kämpft, da er den Gegner anerkennt, sondern dass er im Verborgenen
die volle Vernichtung des Gegners garnicht wünschen kann.
Zerfall und Wiederherstellung von Grossreichen war die Geschichte seit dem Ende
der Achsenzeit. In den letzten Jahrhunderten ist nur ein einziges in seinem besten
Sinn absolut Neues in die Welt getreten: die abendländische Wissenschaft. Diese mit
ihren Folgen in der Technik hat neue Grundlagen gelegt, die Welt innerlich und äus-
serlich revolutioniert, wie niemals seit Beginn der erinnerten Geschichte. Sie hat un-
erhörte Chancen und auch Gefahren gebracht. Davon wird alsbald gesondert zu spre-
chen sein.
3. Zukunft: Die Geschichte umfasst den Bereich weniger Jahrtausende, mag man
fünf, sechs, oder sieben Jahrtausende rechnen. Die Zukunft ist unabsehbar. Eins aber
lässt sich gewiss sagen: Die Einheit des Erdballs ist gewonnen, der Planet ist für den
Menschen zu einem verkehrstechnisch beherrschten Ganzen geworden, ist kleiner als
einst das römische Imperium war. Damit ist alles auf alles bezogen. Die Weltgeschichte
als eine hat begonnen. Von hier aus erscheint die Zwischenzeit der bisherigen Ge-
schichte als eine Stätte vieler unabhängiger Versuche, als vielfacher Ursprung der ent-
scheidenden Antriebe und Möglichkeiten des Menschen. Jetzt ist das Ganze zur Frage
und Aufgabe geworden.
Das nicht mehr ferne erste Ende wird vermutlich das Weltimperium sein, mag die-
ses als sichtbares einheitlich beherrschtes Imperium auftreten oder als vereinigte Staa-
ten oder als mit der Anerkennung von Scheinsouveränitäten central gelenkte Herr-
schaft.186 Alles Gegenwärtige kann erscheinen wie das vorbereitende Ringen um die
Ausgangspunkte für den Endkampf um die Weltherrschaft, um die planetarische Ord-
nung. Bis dahin sind alle Zustände und Machtverhältnisse vorläufig. In jedem Augen-
blick erscheinen andere Ideologien notwendig; die Schnelligkeit ihres Wechsels cha-
rakterisiert dieses Zeitalter einer rasenden Bewegung. Jetzt erscheint alles wie ein
Übergang zur planetarischen Endordnung, auch wenn zunächst das volle Gegenteil
eintritt: z.B. die radikale Unterbrechung der Communication auf der Erde. Es gibt keine
Globetrotter mehr; aufgehört hat das blos betrachtende Weltbild eines eben vergan-
genen Zeitalters, in dem einige Wenige alle Mannigfaltigkeit der Menschen bis zu den
Naturvölkern hin wie etwas Fremdes, gleichsam als Naturgebilde ansahen. Die neue
Einheit ist Wirklichkeit, nicht aesthetisches Bild. Die Welt schliesst sich. Es gibt kein
draussen mehr, wie es für die Riesenuniversalreiche der Vergangenheit doch immer
noch bestand.
Das Zeitalter des Weltimperiums ist vorher nicht zu entwerfen, so brennend das neu-
gierige Interesse sein mag. Alles Geschehen ist nun von innen. Von aussen können
keine fremden Mächte, keine Barbarenvölker mehr einbrechen. Es wird weder Limes
noch chinesische Mauer geben - nur im Übergang eines vorläufigen Abschlusses der
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften