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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0248
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Grundsätze des Philosophierens

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c. Der Einschnitt der modernen Technik
Das Wissen des Menschen ist selber ein historischer Process. Die Technik ist das erwor-
bene und sich verwandelnde Verfahren der Naturbearbeitung und Naturbeherrschung
durch den wissenden Menschen für seine Bedürfnisse und Zwecke. Wie die Natur
durch Technik aussieht und wie sein technisches Verfahren auf den Menschen zurück-
wirkt und mit seinem Dasein ihn selber verändert, ist eine Grundlinie in der Ge-
schichte.
Erst die moderne Technik hat dies in einem Maasse fühlbar gemacht, dass die Tech-
nik selber Verhängnis des Menschen geworden zu sein scheint. Gegenüber der relati-
ven Stabilität der technischen Zustände seit Jahrtausenden geschah eine Revolution
der Technik und damit des menschlichen Daseins im Ganzen.
Der Mensch ist an die Natur gebunden. Die moderne Technik zeigt das auf neue
Weise. Durch scheinbare Naturbeherrschung droht diese Technik den Menschen auf
unerwartete Weise zu überwältigen. Die Natur wird durch die Natur des technisch ar-
beitenden Menschen erst recht zum Tyrannen des Menschseins. Es droht die Gefahr,
dass der Mensch in der zweiten Natur, die er als die seine technisch hervorbringt, er-
stickt, während er gegenüber der unbewältigten Natur in seinem ständigen leiblichen
Mühen um sein Dasein vergleichsweise frei war.
Wegen der Grösse der Frage, was damit aus dem Menschen werden kann, ist es an-
gemessen, die Technik zu einem besonderen Thema zu machen, wenn man sich die
Geschichte vergegenwärtigt.
1. Wesen der Technik:
aa. Bestimmung der Technik:189
Technik entsteht durch Zwischenschiebung von Mitteln zur Erreichung eines Zie-
les. Unmittelbare Tätigkeiten, wie Atmen, Sichbewegen, Nahrungsaufnahme heissen
noch nicht Technik. Erst wenn sie fehlerhaft geschehen, und man absichtlich Veran-
staltungen trifft, sie richtig zu vollziehen, spricht man von Atemtechnik usw.
Technik ist ein Können, dessen Verfahren inbezug auf das Ziel äusserlich ist. Die-
ses Können ist ein Machen und Verfügen, nicht ein Schaffen und Wachsenlassen.
Technik verfährt, indem sie Kraft gegen Kraft, Natur gegen Natur ansetzt. Sie be-
herrscht die Natur indirekt durch die Natur selber.
Diese Herrschaft beruht auf Wissen, das sich in ein Können umsetzt. In diesem
Sinne sagt man: Wissen ist Macht.190 Wissen, das anwendbar wird durch Veranstaltun-
gen, wird Technik.
Technik als Lehre gibt die Methoden an, die für die Erreichung von Zielen zweck-
mässig sind, d.h. die erstens sachgerecht sind, zweitens unter Vermeidung überflüssi-
ger Tätigkeiten unter Aufwendung allein des Notwendigen sparsam verfahren. Tech-
nische Regeln sind drittens solche, die man lernen, identisch übertragen und
anwenden kann.
 
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