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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0290
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Grundsätze des Philosophierens 287
Diesen beiden Abschnitten geht vorher ein Abschnitt, der in logischen Vergegen-
wärtigungen zeigen soll, wie die Realität der Gemeinschaft für uns da ist. Denn ob wir
ein Neues planen oder einer Autorität folgen, immer ist eine Auffassung der Realität
unserer Gemeinschaft Voraussetzung unseres Tuns.
Zum Schluss versuchen wir in einem letzten Abschnitt die philosophische Haltung
des politischen Menschen zu entwerfen, wie sie sich ergibt, wenn Freiheit des Planens
als unendliche Aufgabe und Hingabe an Autorität als Grenze und als Erfüllung des
Sinns gegenwärtig sind.
Erster Abschnitt: Die Auffassung der Realität der Gemeinschaft
Wir leben nicht nur faktisch in Gemeinschaft, sondern die Gemeinschaft wird uns Ge-
genstand unserer Meinung, unseres Vorstellens und Denkens, unserer Aufgabe. Wel-
che Realität hat die Gemeinschaft für uns?
a. Analyse der Realität der Gemeinschaft
aa. Realität überhaupt: Das Gemeinsame aller Realität ist allein ihr Gegenwärtigwer-
den im Hier und Jetzt. Realität ist das im Dasein leibhaftig Anwesende. Hier liegt das
Kriterium des Realseins; hier werden unsere Vorstellungen vom Realen bestätigt oder
widerlegt. Aber die Realität, die im Hier und Jetzt zur Erscheinung kommt, ist vielfach.
Das Gegebene ist überall grundsätzlich eigentümlich, nicht einerlei Art. Diese Viel-
fachheit ist zu gliedern nach objektiven Stufen des Realseins von der Materie bis zum
lebendigen Organismus, von der Seele bis zum Geist. Sie ist andrerseits zu gliedern
nach den Weisen subjektiver Auffassung, in denen jenes Objektive gegenwärtig wird.
In diesem Sinne real ist, was meine Sinnesorgane trifft und dadurch als Gegenstand
leibhaftig wird. Real ist, was im Leibhaftigen als verstehbarer Sinn mir begegnet, so-
wohl als Sinn, den andere meinen, wie als Sinn, den ich verstehe und meinend auf-
fasse. Real ist, was uns Widerstand leistet, was unser Dasein beschränkt, unser Leben
bedroht oder unserem Leben Raum gibt. Es gibt Stufen der Realität und keine Stufe ist
absolut.
Will ich das Reale im Hier und Jetzt begreifen, so denke ich ein Zugrundeliegendes.
Es gelingt jedoch nicht, alle Realität auf ein einziges Zugrundeliegendes zurückzufüh-
ren. Vielmehr ist jede Weise unmittelbarer Realität charakterisiert und abgegrenzt
durch ihren Bezug auf die zugrundeliegend gedachte eigentliche Realität. Für die Mess-
barkeiten der Naturwissenschaft sind es die jeweils letzten Elementarteilchen, Atome,
Elektronen3, Neutronenb und die Felder, heute die Quanten, die von beidem etwas an

a Elektronen nach der Abschrift Gertrud Jaspers statt Elektrone im Ms.
b statt Neutronen im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers Neutrone
 
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