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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0317
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Grundsätze des Philosophierens

Daseinselement, ist unter Bedingungen und Regeln friedlichen Verwirklichens ge-
stellt, solange die Reichsidee herrscht und nicht neue Spaltungen in kriegerische Aus-
einandersetzungen führen.
Durch alle historischen Zeiten haben zwei Motive zur Reichsbildung gedrängt, der
Machtwille, der irgendeine Minorität, die bedingungslos herrschen will, mit Erfolg
krönt, und der Friedenswille, der Ruhe und Sicherheit sucht dadurch, dass alle Men-
schen einer einzigen Herrschaft unterstehen. Durch die gesamte Geschichte geht der
Drang der Menschen auf Vergrösserung ihrer staatlichen Gebilde. Die Imperien haben
durchweg diese Zweideutigkeit, furchtbare Gewaltsamkeiten und segensreiche Frie-
densbringer zu sein (pax romana, pax britannica).
Aber alle Weltreiche der Geschichte waren bisher faktisch noch nicht Universalrei-
che. Sie umfassten nicht den Erdball, sondern das jeweils verkehrstechnisch zu verwal-
tende Gebiet, an dessen Grenzen andere, Barbaren, blieben, die eines Tages stark genug
waren, das Reich zu erobern, in Besitz zu nehmen oder zu zerstören. Erst heute steht der
Menschheit der Weg zu einem Weltreich offen, das eines und alle umfassend sein kann.
Erst heute ist die Technik, insbesondere Verkehrs- und Nachrichtentechnik in der Lage,
solche Einheit des Reiches herstellen und aufrecht erhalten zu können. Verkehrstech-
nisch ist heute der ganze Erdball kleiner als früher der orbis terrarum des römischen
Reiches und das Reich der Mitte der Chinesen. Auf dem Wege zum Weltreich sind Na-
tionen schon eine zu kleine Einheit geworden. Grossräume, Continente, Staatsgrup-
pen, Imperien sind Formen der Herrschaftseinheit, die sich selber auf die Dauer nicht
genügen werden. Denn es bleibt das Aussen. Das Aussen aber ist keine dauernde Not-
wendigkeit. Wie in der Geschichte, bisher wegen der Grösse der Erde nur vorüberge-
hend, Reiche das Ende langer Kämpfe zwischen getrennten Staaten wurden, so wird
dasselbe auch heute in näherer oder fernerer Zeit zu erwarten sein. Historisch sind Zeit-
alter kämpfender Staaten immer nur Übergangszeiten gewesen. Wir stehen vielleicht
in der letzten grossen Übergangszeit, in der die Mittel der Menschheit und des Erdballs
angewandt werden, um in ungeheuren Kraftanstrengungen zu entscheiden, wie das
unumgängliche Weltreich aussehen soll. Auf diesem Wege wird geistig die Auseinan-
dersetzung zwischen Staatsgedanke und Reichsgedanke und die Vertiefung beider statt-
finden: Aber sie sind eine Alternative: der Staat als letztes oder die Weltordnung als letz-
tes. Der Mensch kann mit ganzer Seele nur auf einer der beiden Seiten stehen, die andere
dann nur als eine zu übernehmende Notwendigkeit anerkennen.
2. Das ethisch-politische Daseinsbewusstsein: Es ist ein Sprung zwischen dem Da-
seinsbewusstsein der politischen Selbstbehauptung souveräner Staaten und dem Da-
seinsbewusstsein im einen Weltreich. Beides ist historisch zu beobachten.
Die Selbstbehauptung eines Staates verengt oder verhindert eine innere Gestaltung
des gemeinschaftlichen Lebens nach der Gesamtheit der menschlichen Zwecke, weil
die Notwendigkeit die innere politische Gestaltung auch schon im Frieden unter den
 
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