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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0322
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Grundsätze des Philosophierens

319

die Menschen nach Art und Begabung und freier Wahl ihrer Ziele verschieden sind,
ist auch das ihnen Zukommende verschieden.
Freiheit, Communication und Gerechtigkeit sind nicht greifbare Einrichtungen. Sie
sind Momente der Idee, unter der die Einrichtungen und die Menschen sich verwan-
deln können. Es kommt für einen Weltzustand darauf an, welche Richtung in ihm wirk-
sam ist, ob auf die Idee hin, oder von ihr fort. In jedem Zustand ist Mangel, Störung,
Corruption da. Sie sind niemals in Kauf zu nehmen, sondern immer zu bekämpfen. Der
Zustand ist der wahre, in dema solche Bekämpfung auf den Wegen gesetzlicher Ord-
nung maximal möglich ist, faktisch geschieht und der Weg der inneren Selbsterziehung
einer politischen Gemeinschaft in Richtung auf die Idee beschritten wird.
Die Idee soll sich verwirklichen. Man möchte geradezu die bestimmten Einrichtun-
gen entwerfen, durch die sie wirklich wird. Man kennt solche Entwürfe als solche des
ewigen Friedens. Für diesen gab der Abbe St. Pierre nach dem Frieden von Utrecht einen
bis ins Einzelnste durchgeführten Plan, als ob er durch einen Vertrag der souveränen Kö-
nige ein für alle Mal verwirklicht werden könne.230 Kant entwarf die Vorbedingungen ei-
nes ewigen Friedens in Grundsätzen, die den Sinn klar machten, aber nicht für unmit-
telbare Anwendung erdacht waren.231 Der Friede ist als solcher ein für Menschen immer
wieder hinreissender Gedanke. Die Sehnsucht zum Frieden liegt so entschieden in der
Natur des Menschen, dass sogar die wenigen, die den Krieg als ihren Lebenssinn begeh-
ren, öffentlich den Krieg nicht als Krieg wollen, sondern wie alle anderen als Schicksals-
verhängnis hinnehmen. Die Idee der Weltordnung aber will nicht nur Frieden, nicht
Frieden um j eden Preis, sondern Freiheit und Gerechtigkeit und in deren Folge den Frie-
den. Das Verhängnis des Krieges hat seinen letzten Grund nicht in einem abzuändern-
den Fehler der Institutionen und Verträge, sondern im Verhalten aller. Daher ist der
Friede nicht gradezu als Frieden zu erreichen13, sondern nur als Folge einer Veränderung
der Ordnung und des Verhaltens der Menschen im Ganzen. Eine der Bedingungen ist
die Art der Verwirklichung des Weltreichs als übergreifender Ordnung eines einzigen
Ganzen.
Es kann keine wirkliche Ordnung geben ohne Ordnung der ganzen Welt. Daher
kann die Weltordnung selber den Weg ihres endgiltigen Fortschreitens nur im Welt-
reich finden. Nur der universale Staat kann den Menschen frei werden lassen. Alle vor-
hergehenden, der absolutistische Territorialstaat der neueren Jahrhunderte, der Natio-
nalstaat, jeder Staat, der sich absolut setzt, haben unfrei gemacht. Der Staat in seiner
Verabsolutierung machte den Menschen befangen, indem er das Ganze preisgab. Die
Freiheit des Menschen fordert Verlässlichkeit in den irdischen Ordnungen des Rechts.
Nur das Weltreich kann diese auf die Dauer und fortschreitend verwirklichen. Alle ein-

a statt dem im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers der
b nach erreichen im Ms. gestr. (die Sinnlosigkeit des Pacifismus)
 
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