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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0324
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Grundsätze des Philosophierens

321

können. Wenn aber die Polizei die einzige in Grenzfällena gesetzlich geordnete Gewalt
ist, so kann, wer die Polizei beherrscht, Gewalt üben auch als unrechte, gesetzwidrige
Gewalt. Und wenn die tatsächliche Verwandlung der Zustände nicht gefolgt wird von
gerechten Veränderungen der gesetzlichen Ordnung[,] dann wird die gesetzliche Po-
lizei zur gewaltsamen Aufrechterhaltung wachsenden Unrechts. Wenn dann immer
mehr statt immer weniger Menschen die Chancen ihrer Verwirklichung ungleich be-
schränkt werden, so ist die Frage, wann bei Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung oder
Empörung vieler und bei der nie verschwindenden Abenteurerlust einiger trotz der
Weltordnung in ihr doch wieder Auflehnung gegen die Gewalt durch Gewalt, Krieg
und neue Gruppierung von Machtverhältnissen stattfindet. Es wäre daher in einer ein-
mal bestehenden Weltordnung notwendig, nicht nur die Verfahren der Kontrolle, der
Aufhebung von Gewaltmöglichkeiten zu beobachten, sondern auch die unmerklichen
Veränderungen zum Unrecht des Faktischen hin. Der Kampf gegen die Widerstände
der Ordnung dürfte nicht erst gegen tatsächliche Auflehnungen geschehen, sondern
müsste deren Möglichkeit in dem Unrecht von Zuständen, im Unrecht des Rechts je-
derzeit wiederaufzuheben suchen.
4. Die technische Grossorganisation: Das eigentlich Neue für die Chancen einer
Weltordnung im Weltreich liegt auch hier heute in den technischen Möglichkeiten. Die
Technik hat aber nicht nur die Mittel bereitgestellt, ohne die eine Reichseinheit des Erd-
balls bisher unmöglich war, in der Technik und ihrer wirtschaftlichen Verwendung liegt
vielmehr auch als solcher die Forderung einer Organisation im Grossen und Grössten,
weil nur so das Zweckmässige erreichbar ist. Das laisser faire in freier Concurrenz der auf
je eigenes Risiko geschehenden Unternehmungen konnte sinnvoll nur in der Übergangs-
zeit technischer Neuschöpfungen und Entwicklungen sein, die zunächst innerhalb der
seit Jahrtausenden wohl schwankenden [,] aber im wesentlichen ähnlichen Wirtschafts-
weise ansetzen mussten. Die Zeit der ersten Erfindungen, Vorbereitungen, Versuche war
eine einmalige Zeit technischer und wirtschaftlicher Begeisterung, persönlichen Wage-
muts, hinreissenden Glücks und grauenvoller Zerstörungen überlieferter Lebensformen,
eine Zeit der Entstehung grösster Vermögen und grösster Armut, aber doch die Zeit der
grossen Schöpfungen. In dieser Zeit war unumgänglich, was nunmehr tatsächlich un-
möglich oder sinnlose Vergeudung wurde. Heute sind sogar die Erfindungen und For-
schungen organisiert. Der Einzelne für sich vermag mit privaten Mitteln so gut wie
nichts. Was so zu entdecken und zu erfinden war, das ist im wesentlichen gefunden wor-
den. Die weiteren Schritte sind an die grossen Laboratorien und an den Besitz umfang-
reicher technischer Mittel gebunden. Daher muss sich die Produktivität und Initiative
eingliedern und Raum schaffen innerhalb der Organisationen. Die Organisation drängt
von sich aus - der Zweckmässigkeit wegen - zu immer grösseren Zusammenballungen,

nach Grenzfällen im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers durch
 
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