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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0338
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Grundsätze des Philosophierens

335

Wo dem menschlichen Tun, das stets der Mittel zu einer Verwirklichung bedarf,
diese Mittel als solche Gegenstand einer Bemühung werden, sprechen wir von Tech-
nik. Technik ist Lehre der Mittel. Sie stellt ihre Mittel zur Verfügung für beliebige
Zwecke. Sie ist, was die Endzwecke betrifft, neutral.
Von aller Technik, die sich auf die Natur, ihre Stoffe und auf das Leben der Pflan-
zen und Tiere richtet, sind zu unterscheiden die Einrichtungen, die sich auf den Men-
schen richten [,] und zwar auf den Menschen als Menschen, nicht als blosse Natur, als
die er mit anderem Lebendigen übereinstimmt und wie dieses behandelt werden kann.
Solche Technik ist die, welche den Zustand der menschlichen Gemeinschaft, die
menschliche Weltordnung betrifft.
Nun gibt es nicht den einen Plan der richtigen Welteinrichtung, nicht gleichsam
die Maschine des Ganzen.
Nur in einzelnen Linien ist das Verhalten der Menschen vorauszusehen, teils als
natürliche Notwendigkeit aus ihren durchschnittlichen Trieben, teils als verstehbarer
Sinn aus den rationalen Consequenzen des Eigennutzes und anderer Principien. Da-
her gibt es im Zusammenleben aller die Notwendigkeiten, welche ohne klares Bewusst-
sein der Menschen ihre Wirkungen durch dies Verhalten der Menschen haben: so die
wirtschaftlichen Regeln, etwa die Preisbildung, ferner die Folgen des Wissens und der
Meinungen einzelner oder vieler, weiter die in Situationen liegenden Chancen usw.
Diese Notwendigkeiten bewusst zu machen und sie in der Realität nach dem Maasse
ihrer Geltung zu untersuchen, ermöglicht es, in sie sinnvoll aus menschlichen Zwek-
ken einzugreifen. Solche Eingriffe erfordern Wissen und Können, die durch Sachver-
ständnis und Wissenschaften erworben werden, durch Staatswissenschaften, Rechts-
wissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Sociologie, Geschichte. Die Eingriffe heissen
politisches Handeln, Regierung, Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung.
Nur wenn der Mensch bekannt und übersehbar wäre wie ein technisch zu verwen-
dendes Material und ein Zweck bekannt wäre, der als Endzweck erreicht werden soll,
wäre eine richtige Welteinrichtung möglich. Wie aber die Dinge für uns liegen, sind
wir alle, die wir solche richtige Welteinrichtung wollen, erstens selber Menschen [,]
kein uns bekannter, fertig gegebener Stoff, sondern etwas Werdendes, das im Einrich-
ten seiner Welt unvoraussehbar zu sich kommt. Zweitens ist das faktische Geschehen
im Zusammenleben zuletzt immer wieder fundiert im unkontrollierbaren, nicht tech-
nisch zu machenden, durch äussere Institutionen nicht mehr zu treffenden und nicht
wesentlich zu beeinflussenden Verhalten der einzelnen Menschen zu einander.
Nennen wir das, wie der Mensch seine Welt gestaltet, Mittel zum Ziel, so ist dies
Mittel in zweierlei, radikal verschiedenem Sinn aufzufassen. Erstens als Mittel, das der
bewusste Gedanke des Menschen ergreift und anwendet; zweitens als Mittel, das wir
denken, als ob ein Weltgeist ohne unser Wissen uns und alle unsere Gedanken und
Zwecke verwende als Mittel zu dem von ihm geplanten Gang der Geschichte. Im er-
 
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