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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0348
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Grundsätze des Philosophierens

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Hier ist unter allen Mitteln der Punkt, der die Daseinsordnung trägt und in ihr alle
Freiheit in der Gemeinschaft möglich macht. Ob er die Achse des Geschehens im
Staate ist oder nicht, unterscheidet den Rechtsstaat vom despotischen und vom anar-
chischen Staat.
Aber dieser Punkt ist nichts als das Gesetz der Gesetzlichkeit als solches. Alle Ge-
setze können sich ändern. Was Menschen sind und wollen, das wird in der Gemein-
schaft zu Gesetzen. Gesetze prägen wiederum rückwärts die Menschen, die unter ih-
nen leben.
Das Gesetz der Gesetzlichkeit ist das Princip aller auf die menschliche Gemein-
schaft gerichteten Veranstaltungen. Ohne dieses Princip haben die Veranstaltungen
keinen führenden Bezugspunkt, bleiben sie zerstreut, zufällig und gewaltsam, gelan-
gen sie nicht auf den Weg des Hervorbringens der Freiheit und Gerechtigkeit, welcher
allein der Sinn menschlichen Tuns, soweit er an ihm liegt, sein kann.
3. Die Einrichtungen müssen von den Betroffenen verstanden werden können: Die
Einrichtungen ermöglichen nur das, was dann in ihnen geschieht, sie bringen als sol-
che dieses Geschehen noch nicht hervor. Die Menschen müssen entgegenkommen,
müssen fähig und bereit sein. Es lassen sich nicht sinnvoll die überhaupt besten Ein-
richtungen ausdenken und realisieren. Vielmehr müssen sie den Menschen entspre-
chen, die da sind, und müssen mit den Menschen besser werden, indem die Menschen
selber durch sie erzogen zu höheren Stufen reifen. Darum muss mit den Einrichtun-
gen einhergehen die ständige Communication, in der alle Menschen verstehen, was
geschieht, und den Anspruch zu eigenem Aufschwung erfahren. Die Menschen wach-
sen in dem sich durch dauernde Mitteilung hervorbringenden Einverständnis.
Bilder vorgelebten Menschseins sind Wegweiser. Berufsideen in ihrer Verwirkli-
chung schaffen den Raum, in dessen Atmosphäre die Nachfolgenden eintreten. Ge-
halte der Überlieferung prägen das Wissen um die höchsten Ziele in der Welt und um
Transcendenz.
Diese Communication aller ist wirklich durch Unterricht, Erziehung, dann durch
öffentliche Information und Discussion. Das geistige Leben muss an die Öffentlich-
keit treten, sich zeigen und sich aussetzen. Die Handelnden müssen Möglichkeiten
und Pläne dem Geheimnis entziehen.
So müssen auch die Einrichtungen verstanden werden, um lebendig zu sein. Sie le-
ben nur im entgegenkommenden Hervorbringen.
In einseitigen Veranstaltungen seitens des Mächtigen stände der Mensch den Men-
schen gegenüber, als ob er an ihnen wie an einem Material gestalte. Jedoch menschli-
che Zustände sind nicht aus Menschenmassen als einem gegebenen Material zu ma-
chen, wie ein Künstler am Marmor arbeitet. Der Mensch ist kein Material, an dem nur
wie an einem Stoff von aussen geformt werden könnte (wobei etwa die Mittel des Ge-
wöhnens, der Suggestion, des Drills, des Unwissendlassens und des Betruges benutzt
 
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