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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0365
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Grundsätze des Philosophierens

Ausgang politischen Wollens von der Auffassung des Menschen: Wie der Han-
delnde den Menschen sieht, das gibt ihm Möglichkeiten und Grenzen seiner letzten
Zielsetzungen, und die Wahl seiner Mittel.
Wo immer eine bestimmte Auffassung vom Menschen herrscht, entsteht die blinde
Gradlinigkeit der Entwürfe. Ein einziger Weg gilt als der sicher zum Ziel führende.
Wenn z.B. alles an den äusseren Verhältnissen liegt, so braucht man nur die Gleich-
heit der Situation für alle herzustellen[,] und zwar eine daseinsbefriedigende Situation.
Würde man die Entstehung besonderer Interessen abschaffen, so auch den Kampf, so
auch die Quelle des Bösen.
Wenn alles an der Natur des Menschen liegt, so galt diese entweder für gut oder für
böse. Gilt der Mensch als gut, so ist der politische Wille demokratisch; Volkes Stimme
ist Gottes Stimme. Ist diese Stimme unzuverlässig geworden, so liegt das an dem Bö-
sen, das durch die Kultur erst unnatürlicher Weise entstanden ist. Wird diese unnatür-
liche Kultur vernichtet zugleich mit den unverbesserlich gewordenen Menschen, so
wird sich die Güte aller anderen Menschen ohne weiteres wieder zeigen. Robespierre,
der mit Rousseau den Menschen für gut hielt, kam zum Terrorismus und zum Guillo-
tinieren, um die ursprüngliche Güte wieder in Erscheinung treten zu lassen.
Gilt der Mensch als böse, so muss der politische Wille darauf gehen, ihn durch Ge-
walt und Strafandrohung in Zucht zu nehmen, sein Böses zu unterdrücken, es erträg-
lich zu formen. Dieser Wille ist diktatorisch. Durch Herrschaft und Gesetze ist an den
Menschen zu arbeiten, wie an einem Material. Sie selber können nicht begreifen, was
mit ihnen geschehen muss, und haben nicht den guten Willen (selbst wenn sie begrif-
fen), der besseren Einsicht zu folgen. Nur der aufgeklärte Despot kann sie sinngemäss
behandeln.
In jedem der drei Standpunkte liegt etwas Wahres. Falsch werden sie durch Verab-
solutierung. Im Ganzen des Menschseins kommen alle die Momente vor, welche zu
jenen einseitig-radikalen Auffassungen führen können. Der Weg des Menschen im po-
litischen Planen kann nur wahr bleiben, wenn das Wesen des Menschseins in der
Weite seiner Möglichkeit festgehalten wird. Der Mensch hat zwar in sich die Möglich-
keit des Guten, aber in ihm ist eine andere Möglichkeit, ein Bruch, sei es in christlich-
mythischer Auffassung durch den Sündenfall, der ihn aus dem Paradies vertrieb, sei es
durch ein philosophisch constatiertes radikal Böses in der Verkehrung des Verhältnis-
ses von unbedingtem guten Willen und bedingtem Daseinsinteresse in ihm, sei es psy-
chologisch aufgefasst durch seine durchschnittlichen natürlichen Antriebe.
Für das politische Wollen im Ganzen ist daher die unerlässliche Voraussetzung, dass
erstens nie vergessen wird, dass jeder Mensch, auch der aufgeklärte Despot, ein Mensch
ist, zweitens dass das Menschsein nicht auf einen Nenner zu bringen ist, derart [,] dass
die einen, die etwa wissen, was der Mensch sei, die anderen, die es nicht wissen, beherr-
schen und erziehen könnten. Wie in der einzelnen Seele der Mensch mit sich selber
 
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