Grundsätze des Philosophierens
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Das heisst in der Tat, dass er bei voller3 Konsequenz unausweichlich als Dasein zugrunde
gehen muss. Denn kein Dasein kann sich ohne einen Rest von Nutzniessung der Ge-
walt und leiser eigener Gewaltanwendung behaupten. Aber die Heiligen haben in man-
chen Zeitaltern den grössten Eindruck gemacht, sind daher gepflegt und wenigstens
als Betteldasein am Leben erhalten worden. Wenn nun aber die Alternative Gewalt oder
Heiligkeit aufgestellt wird, so ist vielmehr ein drittes als möglich zu behaupten, das im
politischen Menschen zu seiner höchsten Spannung kommt: der Mensch des unend-
lichen Verständigungswillens, der die Gewalt nicht will, aber auf sich nimmt.
Der Verständigungswille, der auf Gewalt verzichtet, kann sich nicht verwirklichen.
Zwar muss er auch dulden und leiden, denn nur Menschen, die sich gegenseitig op-
fern und verzeihen, können sich bis in die Grenzsituationen hinein in verstehender
Gemeinschaft halten. Aber in der Gemeinschaft aller ist überall auch der Punkt, wo
ein Mensch nicht nachgibt, sondern als Dasein sich behauptet, also - wenn auch oft
in verschleierter Weise - Gewalt anwendet. Der Heilige will nichts als leiden; wenn die
Welt Böses tut, kasteit er sich in Stellvertretung, aber ohne reale Bedeutung. Der
Mensch, der Gemeinschaft in der Verständigung sucht, gibt zwar nach, duldet, leidet,
opfert, aber um in der Bewegung der Gegenseitigkeit zu hören und zu sprechen, um
für sich das Wahrere zu finden und den Anderen zu überzeugen. Der Heilige isoliert
sich, der Mensch des Verständigungswillens verbindet sein Leben mit dem der Ande-
ren, das seine mit dem ihren wagend, das eigene mit dem der Anderen gewinnend. Im
Verständigen stösst er an die Grenze der Nichtverständigung im Anderen und in sich
selbst, in dem unablässigen Antrieb, sie zu durchleuchten und zu überwinden. Was
im Selbstwerden durch Communication zwischen Einzelnen geschieht, das geschieht
im Grossen in der politischen Gemeinschaft.
Im persönlichen und privaten Leben machen wir eine Erfahrung, die der Härte desb
politischen Leben [s] zunächst ganz fern zu stehen scheint. Wer vernünftige Gemein-
schaft in der Verständigung sucht, dem ist der Schmerz des ständigen Versagens sol-
cher in den Grund dringenden Verständigung zugunsten nur vordergründlicher Ord-
nungen wie eine nicht heilende Lebenswunde. Daher ist er gesteigert empfindlich, ist
hellhörig für den Sinn der Antriebe und Reaktionsweisen des Abbrechens und Sichab-
schliessens, für den Trotz, den Eigensinn, das Rechtbehaltenwollen, die Unsachlich-
keit, den Stolz, das Beleidigtsein, die Wut, die Empörung, den Hass, für all die kleinen
Erscheinungen des Sichaufsichzurückziehens, wie das Verlassen des Zimmers und Zu-
werfen der Tür, für all das, was der ständige - nur abgemilderte - Krieg ist.
Der politische Mensch erträgt bewusst die höchste Spannung dessen, was verbor-
gen überall geschieht. Er verliert nicht das Bewusstsein von der alles Dasein struktu-
a nach voller im Ms. gestr. Wahrhaftigkeit und
b der Härte des im Ms. Vdg. für dem
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Das heisst in der Tat, dass er bei voller3 Konsequenz unausweichlich als Dasein zugrunde
gehen muss. Denn kein Dasein kann sich ohne einen Rest von Nutzniessung der Ge-
walt und leiser eigener Gewaltanwendung behaupten. Aber die Heiligen haben in man-
chen Zeitaltern den grössten Eindruck gemacht, sind daher gepflegt und wenigstens
als Betteldasein am Leben erhalten worden. Wenn nun aber die Alternative Gewalt oder
Heiligkeit aufgestellt wird, so ist vielmehr ein drittes als möglich zu behaupten, das im
politischen Menschen zu seiner höchsten Spannung kommt: der Mensch des unend-
lichen Verständigungswillens, der die Gewalt nicht will, aber auf sich nimmt.
Der Verständigungswille, der auf Gewalt verzichtet, kann sich nicht verwirklichen.
Zwar muss er auch dulden und leiden, denn nur Menschen, die sich gegenseitig op-
fern und verzeihen, können sich bis in die Grenzsituationen hinein in verstehender
Gemeinschaft halten. Aber in der Gemeinschaft aller ist überall auch der Punkt, wo
ein Mensch nicht nachgibt, sondern als Dasein sich behauptet, also - wenn auch oft
in verschleierter Weise - Gewalt anwendet. Der Heilige will nichts als leiden; wenn die
Welt Böses tut, kasteit er sich in Stellvertretung, aber ohne reale Bedeutung. Der
Mensch, der Gemeinschaft in der Verständigung sucht, gibt zwar nach, duldet, leidet,
opfert, aber um in der Bewegung der Gegenseitigkeit zu hören und zu sprechen, um
für sich das Wahrere zu finden und den Anderen zu überzeugen. Der Heilige isoliert
sich, der Mensch des Verständigungswillens verbindet sein Leben mit dem der Ande-
ren, das seine mit dem ihren wagend, das eigene mit dem der Anderen gewinnend. Im
Verständigen stösst er an die Grenze der Nichtverständigung im Anderen und in sich
selbst, in dem unablässigen Antrieb, sie zu durchleuchten und zu überwinden. Was
im Selbstwerden durch Communication zwischen Einzelnen geschieht, das geschieht
im Grossen in der politischen Gemeinschaft.
Im persönlichen und privaten Leben machen wir eine Erfahrung, die der Härte desb
politischen Leben [s] zunächst ganz fern zu stehen scheint. Wer vernünftige Gemein-
schaft in der Verständigung sucht, dem ist der Schmerz des ständigen Versagens sol-
cher in den Grund dringenden Verständigung zugunsten nur vordergründlicher Ord-
nungen wie eine nicht heilende Lebenswunde. Daher ist er gesteigert empfindlich, ist
hellhörig für den Sinn der Antriebe und Reaktionsweisen des Abbrechens und Sichab-
schliessens, für den Trotz, den Eigensinn, das Rechtbehaltenwollen, die Unsachlich-
keit, den Stolz, das Beleidigtsein, die Wut, die Empörung, den Hass, für all die kleinen
Erscheinungen des Sichaufsichzurückziehens, wie das Verlassen des Zimmers und Zu-
werfen der Tür, für all das, was der ständige - nur abgemilderte - Krieg ist.
Der politische Mensch erträgt bewusst die höchste Spannung dessen, was verbor-
gen überall geschieht. Er verliert nicht das Bewusstsein von der alles Dasein struktu-
a nach voller im Ms. gestr. Wahrhaftigkeit und
b der Härte des im Ms. Vdg. für dem