Grundsätze des Philosophierens
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die Mittel, sündige tapfer277). Die Gesinnungsethik ist ohne Welt, die Erfolgsethik ohne
den Gehalt eines Endziels. Nur in der Spannung eines Unlösbaren kann der Mensch
das höchste ihm Mögliche erreichen und den Sinn dessen erfahren, was eigentlich Ver-
antwortung heisst.
g. Der Dienst
Frömmigkeit und die aus dem Wissen kommende Bescheidung bewirken im Handeln-
den das Bewusstsein des Dienstes. Will der politische Mensch nicht die Macht als sol-
che, so doch die Macht im Dienste. »Wie die Sache auszusehen hat, in deren Dienst der
Politiker Macht erstrebt und Macht verwendet, ist Glaubenssache. Er kann nationalen
oder menschheitlichen, socialen und ethischen oder kulturlichen, innerweltlichen oder
religiösen Zielen dienen, er kann getragen sein von starkem Glauben an den Fortschritt -
gleichviel in welchem Sinn - oder aber diese Art von Glauben kühl ablehnen, kann im
Dienst einer Idee zu stehen beanspruchen oder unter principieller Ablehnung dieses An-
spruchs äusseren Zielen des Alltagslebens dienen wollen, - immer muss irgendein
Glaube da sein. Sonst lastet in der Tat der Fluch kreatürlicher Nichtigkeit auf den äusser-
lich stärksten politischen Erfolgen.«278 (Max Weber, Polit. Schriften, 437)
Dienst hat einen zweifachen Sinn. Der Dienst des politischen Führers und der
Dienst des Beamten sind ursprungsverschieden. Der Führer gehorcht Ideen, der um-
fassenden Autorität des geschichtlichen Grundes, einem unbestimmt bleibenden, in
immer neuen Bestimmungen noch zu findenden und sich zeigenden Ganzen. Der Be-
amte gehorcht den Anordnungen der in der Welt ihn führenden Menschen, lebt in
der Idee der Gesetzlichkeit, führt bestimmte, klar bewusste Befehle aus.
Der Gedanke des Dienstes hört auf, wo die Willkür des Einzelnen beginnt, wo der
höchste Befehlende sagt: ich will nun einmal so, tel est notre plaisir,279 wo der Unter-
geordnete keine Pflicht mehr kennt, sondern nur gehorcht [,] soweit er durch Kontrolle
gezwungen wird.
1. Die Führer: Der Mächtige wird geehrt, der Ruhm ist ein Antrieb seines Tuns. Die
Grösse in der Welt und die öffentliche Geltung verführen ihn, in der Macht sein Ziel
zu sehen. Dies ist die Quelle unendlichen Unheils, zumal die Massen im Unheil oft
noch dem, der sie hineinführt, leidenschaftlich anhangen. Die grossen Abenteurer der
Geschichte, welche ganze Völker und Kontinente in das Elend gestürzt haben, behal-
ten einen romantischen Glanz für die Nachwelt. Oft sind grosse Männer falsche Idole.
Dass an sie geglaubt wurde, rief immer wieder andere Zerstörer ins Dasein.
Dagegen steht die verantwortliche Haltung des politisch führenden Menschen, der
sich im Dienste weiss. Wie der gute Verwaltungsbeamte sich als Gärtner fühlen kann,
der wohl das Wachsen ermöglichen, aber keinen Baum erzeugen kann, vielmehr von
den Schöpferkräften der Natur abhängt, die mehr sind als er, der sie nur pflegt, so steht
der für die Gemeinschaft Handelnde vor dem Geheimnis des Menschseins, dem er die
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die Mittel, sündige tapfer277). Die Gesinnungsethik ist ohne Welt, die Erfolgsethik ohne
den Gehalt eines Endziels. Nur in der Spannung eines Unlösbaren kann der Mensch
das höchste ihm Mögliche erreichen und den Sinn dessen erfahren, was eigentlich Ver-
antwortung heisst.
g. Der Dienst
Frömmigkeit und die aus dem Wissen kommende Bescheidung bewirken im Handeln-
den das Bewusstsein des Dienstes. Will der politische Mensch nicht die Macht als sol-
che, so doch die Macht im Dienste. »Wie die Sache auszusehen hat, in deren Dienst der
Politiker Macht erstrebt und Macht verwendet, ist Glaubenssache. Er kann nationalen
oder menschheitlichen, socialen und ethischen oder kulturlichen, innerweltlichen oder
religiösen Zielen dienen, er kann getragen sein von starkem Glauben an den Fortschritt -
gleichviel in welchem Sinn - oder aber diese Art von Glauben kühl ablehnen, kann im
Dienst einer Idee zu stehen beanspruchen oder unter principieller Ablehnung dieses An-
spruchs äusseren Zielen des Alltagslebens dienen wollen, - immer muss irgendein
Glaube da sein. Sonst lastet in der Tat der Fluch kreatürlicher Nichtigkeit auf den äusser-
lich stärksten politischen Erfolgen.«278 (Max Weber, Polit. Schriften, 437)
Dienst hat einen zweifachen Sinn. Der Dienst des politischen Führers und der
Dienst des Beamten sind ursprungsverschieden. Der Führer gehorcht Ideen, der um-
fassenden Autorität des geschichtlichen Grundes, einem unbestimmt bleibenden, in
immer neuen Bestimmungen noch zu findenden und sich zeigenden Ganzen. Der Be-
amte gehorcht den Anordnungen der in der Welt ihn führenden Menschen, lebt in
der Idee der Gesetzlichkeit, führt bestimmte, klar bewusste Befehle aus.
Der Gedanke des Dienstes hört auf, wo die Willkür des Einzelnen beginnt, wo der
höchste Befehlende sagt: ich will nun einmal so, tel est notre plaisir,279 wo der Unter-
geordnete keine Pflicht mehr kennt, sondern nur gehorcht [,] soweit er durch Kontrolle
gezwungen wird.
1. Die Führer: Der Mächtige wird geehrt, der Ruhm ist ein Antrieb seines Tuns. Die
Grösse in der Welt und die öffentliche Geltung verführen ihn, in der Macht sein Ziel
zu sehen. Dies ist die Quelle unendlichen Unheils, zumal die Massen im Unheil oft
noch dem, der sie hineinführt, leidenschaftlich anhangen. Die grossen Abenteurer der
Geschichte, welche ganze Völker und Kontinente in das Elend gestürzt haben, behal-
ten einen romantischen Glanz für die Nachwelt. Oft sind grosse Männer falsche Idole.
Dass an sie geglaubt wurde, rief immer wieder andere Zerstörer ins Dasein.
Dagegen steht die verantwortliche Haltung des politisch führenden Menschen, der
sich im Dienste weiss. Wie der gute Verwaltungsbeamte sich als Gärtner fühlen kann,
der wohl das Wachsen ermöglichen, aber keinen Baum erzeugen kann, vielmehr von
den Schöpferkräften der Natur abhängt, die mehr sind als er, der sie nur pflegt, so steht
der für die Gemeinschaft Handelnde vor dem Geheimnis des Menschseins, dem er die