Grundsätze des Philosophierens
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ben kleine Taten befinden, da es nur etwas Grosses für sie gibt - die Pflicht gegenüber
ihrem Herrn. Da sie nur die Vollstrecker von Plänen sind, die zu verändern sie kein
Recht zu haben glauben, ist ihr Befehl immer unbeugsam und manchmal gehen sie so
weit, aus einer Art von Tugend heraus unerbittlich zu sein.
Entartung dieses Typus ist der Gehorsam mit der Lust an Beute und Macht, mit der
Lust am Erbarmungslosen an der Bedienung der Vernichtungsmaschine.
h. Politik ist nicht das Höchste
Wenn die staatlichen und gesellschaftlichen Zustände keinen Raum lassen für die öf-
fentliche Verwirklichung der Idee, dann bleibt dem Ohnmächtigen entweder Verzweif-
lung und Verzicht in Weltfeindschaft oder Warten und Bereithalten in bewusstem Ab-
seitsstehen, oder Warten auf lange Sicht ohne Hoffnung für sich auf ein für dieses
Leben versagtes Staatsdasein, mit Gedanken, dass der Mensch doch nie ganz zugrunde
gehen könne, dass das Ganze in der Hand der Vorsehung liege, dass im Laufe der un-
endlichen Zeit doch einmal der rechte Staat wirklich werden könne. Plato sah und voll-
zog solche Isolierung in das Private, als er unter den gegenwärtigen Staaten keine
Chance mehr erblickte (Staat 496 St): »Wer weiss, dass es keinen Bundesgenossen gibt,
mit dem vereint man zum Schutze der gerechten Sache ausziehen könnte, ohne selbst
dabei zugrunde zu gehen, wenn er vielmehr wie ein unter wilde Tiere geratener
Mensch, der weder mit an deren frevelhaftem Treiben sich beteiligen will noch die hin-
reichende Kraft hat sich allein gegenüber einer Schar von lauter Unholden zu behaup-
ten - wer dies alles in Erwägung zieht, der hält sich bescheiden zurück und beschränkt
sich auf seine persönlichen Angelegenheiten, tritt wie bei einem Unwetter, wenn
Staubwirbel und Platzregen vor dem Luftstrom daherbrausen, unter ein Obdach und
ist zufrieden, wenn er selbst - gleichviel wie - unbefleckt von Ungerechtigkeiten und
frevelhaften Taten sein irdisches Leben beschliesst...«
»... es ist doch nichts Geringes, was er erreicht hat, wenn er so abscheidet«
»Aber auch nicht das Grösste, wenn ihm nicht ein Gemeinwesen beschieden war,
das seinen Forderungen entsprach. Denn in einem solchen wird er selbst noch an Kraft
mehr und mehr zunehmen ,..«281
Noch einen Schritt weiter geht das grundsätzlich apolitische Leben. Der Mensch
lässt geschehen, was ihn nichts angeht und wofür er keinerlei Verantwortung fühlt,
äusser in einer plötzlichen irrealen metaphysischen Mitverantwortung, die keine Fol-
gen für ein Eingreifen in die Welt hat.
Jeder Mensch aber muss, wenn er sein Dasein wahr vollziehen will, »politisch« sein,
wissend vom Allgemeinen und von der gegenwärtigen Lage, bereit zur Teilnahme und
Mitentscheidung, wenn der Ruf an ihn ergeht. Ohne Politik ist der Mensch unvollstän-
dig. Er wird blind für die Realitäten des Daseins, ungerecht in seinem Urteil aus seiner
zufälligen Situation heraus, deren Bedingungen er nicht durchschaut. Politisches Be-
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ben kleine Taten befinden, da es nur etwas Grosses für sie gibt - die Pflicht gegenüber
ihrem Herrn. Da sie nur die Vollstrecker von Plänen sind, die zu verändern sie kein
Recht zu haben glauben, ist ihr Befehl immer unbeugsam und manchmal gehen sie so
weit, aus einer Art von Tugend heraus unerbittlich zu sein.
Entartung dieses Typus ist der Gehorsam mit der Lust an Beute und Macht, mit der
Lust am Erbarmungslosen an der Bedienung der Vernichtungsmaschine.
h. Politik ist nicht das Höchste
Wenn die staatlichen und gesellschaftlichen Zustände keinen Raum lassen für die öf-
fentliche Verwirklichung der Idee, dann bleibt dem Ohnmächtigen entweder Verzweif-
lung und Verzicht in Weltfeindschaft oder Warten und Bereithalten in bewusstem Ab-
seitsstehen, oder Warten auf lange Sicht ohne Hoffnung für sich auf ein für dieses
Leben versagtes Staatsdasein, mit Gedanken, dass der Mensch doch nie ganz zugrunde
gehen könne, dass das Ganze in der Hand der Vorsehung liege, dass im Laufe der un-
endlichen Zeit doch einmal der rechte Staat wirklich werden könne. Plato sah und voll-
zog solche Isolierung in das Private, als er unter den gegenwärtigen Staaten keine
Chance mehr erblickte (Staat 496 St): »Wer weiss, dass es keinen Bundesgenossen gibt,
mit dem vereint man zum Schutze der gerechten Sache ausziehen könnte, ohne selbst
dabei zugrunde zu gehen, wenn er vielmehr wie ein unter wilde Tiere geratener
Mensch, der weder mit an deren frevelhaftem Treiben sich beteiligen will noch die hin-
reichende Kraft hat sich allein gegenüber einer Schar von lauter Unholden zu behaup-
ten - wer dies alles in Erwägung zieht, der hält sich bescheiden zurück und beschränkt
sich auf seine persönlichen Angelegenheiten, tritt wie bei einem Unwetter, wenn
Staubwirbel und Platzregen vor dem Luftstrom daherbrausen, unter ein Obdach und
ist zufrieden, wenn er selbst - gleichviel wie - unbefleckt von Ungerechtigkeiten und
frevelhaften Taten sein irdisches Leben beschliesst...«
»... es ist doch nichts Geringes, was er erreicht hat, wenn er so abscheidet«
»Aber auch nicht das Grösste, wenn ihm nicht ein Gemeinwesen beschieden war,
das seinen Forderungen entsprach. Denn in einem solchen wird er selbst noch an Kraft
mehr und mehr zunehmen ,..«281
Noch einen Schritt weiter geht das grundsätzlich apolitische Leben. Der Mensch
lässt geschehen, was ihn nichts angeht und wofür er keinerlei Verantwortung fühlt,
äusser in einer plötzlichen irrealen metaphysischen Mitverantwortung, die keine Fol-
gen für ein Eingreifen in die Welt hat.
Jeder Mensch aber muss, wenn er sein Dasein wahr vollziehen will, »politisch« sein,
wissend vom Allgemeinen und von der gegenwärtigen Lage, bereit zur Teilnahme und
Mitentscheidung, wenn der Ruf an ihn ergeht. Ohne Politik ist der Mensch unvollstän-
dig. Er wird blind für die Realitäten des Daseins, ungerecht in seinem Urteil aus seiner
zufälligen Situation heraus, deren Bedingungen er nicht durchschaut. Politisches Be-