Grundsätze des Philosophierens
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zweckhafte Wille, die Aufmerksamkeit mitwirkt, kann eine Steigerung geschehen, aber
auch eine radikale Störung. Denn immer muss der Kreisprocess, das Sichhingeben im
Tuna das Fundament bleiben. - Im Psychologischen ist ständig Entgegengesetztes an-
einander gebunden. Das Willkürliche gelingt nur im Unwillkürlichen, die Anspan-
nung nur mit zugehörender Lösung, der bewusste Gedankengang nur mit dem unbe-
wussten Entgegenkommen des Einfalls. Wo im aktiven Tun die Hingabe des Loslassens
fehlt, entsteht Verkrampftheit. Der Wille selbst birgt in sich, was nicht gewollt werden
kann, der aktive Wille bedarf in der Verwirklichung des in ihm selber Ungewollten.
Ich kann den Willen nicht wollen. - Im Existentiellen ist der Mensch er selbst nur,
wenn er im Selbstsein sich geschenkt wird. Freiheit ist ein Sichgegebenwerden aus der
Transcendenz. Freiheit in der Welt ist Notwendigkeit aus der Transcendenz. Dieses
Müssen der Freiheit ist nicht causale Notwendigkeit, nicht Zweckmässigkeit, nicht Ge-
horsam gegen ein errechnetes Sollen, nicht gezwungenes Tun, sondern ein von allem
Zwang losgelöstes Wollen, das transcendentes Müssen ist. -
So sind psychophysische Ordnung, psychologische Natürlichkeit, existentielle Ge-
gründetheit Weisen der Verwirklichung, die nicht alternativ in eindeutigem Sinn zu
begreifen sind. Auf sie bleibt auch angewiesen, was unser Bewusstsein in einliniger Ab-
sicht erreichen will.
Die Preisgabe dieses Grundes zugunsten rationaler Fixierung endlicher Ziele ent-
springt aus der Mutlosigkeit, die sich nicht hingeben mag, aus der Bequemlichkeit des
Verstandesgewissenb, aus dem Sicherheitsbedürfnis im Eindeutigen, aus der Gewalt-
samkeit der Seelenleere. Der Mensch sucht eine Zuflucht gerade dort, wo das Leben
aufhört und das Nichts droht, während seine Angst dort das Verlässlichste zu ergrei-
fen meint.
cc. Das Umgreifende wird verwechselt mit partikularer Daseinsbindungü Gehalt-
volles philosophisches Denken entspringt einem Innesein der Seele, der gegenwärtig
ist, was im Gedanken das Bewusstsein seiner selbst, damit Ausdruck und Mitteilung
sucht. Dieses Suchen ist nur möglich aus dem platonischen Eros, diesem im Nichtha-
ben doch schon Haben.316
Im Verstehen philosophischer Schriften kommt es darauf an, dieses Grundes teil-
haftig zu werden. Durch den Gedanken müssen wir hindurch dringen, um mit ihm an
diesen Grund zu kommen, der das Umgreifende ist, aus dem gedacht wurde, das aber
nicht selber adaequater Gegenstand des Gedankens werden kann. Dieser Grund ist im
philosophischen Aneignen zu spüren: in seiner Tiefe und Fülle, in seiner Leere und
a nach Tun im Ms. gestr. , das Unbewusste im Bewussten, sowie im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. ,
das Passive im Aktiven,
b Verstandesgewissen nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt Verstandesgewissens in der Abschrift Ger-
trud Jaspers
c Daseinsbindung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Objektivierung
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zweckhafte Wille, die Aufmerksamkeit mitwirkt, kann eine Steigerung geschehen, aber
auch eine radikale Störung. Denn immer muss der Kreisprocess, das Sichhingeben im
Tuna das Fundament bleiben. - Im Psychologischen ist ständig Entgegengesetztes an-
einander gebunden. Das Willkürliche gelingt nur im Unwillkürlichen, die Anspan-
nung nur mit zugehörender Lösung, der bewusste Gedankengang nur mit dem unbe-
wussten Entgegenkommen des Einfalls. Wo im aktiven Tun die Hingabe des Loslassens
fehlt, entsteht Verkrampftheit. Der Wille selbst birgt in sich, was nicht gewollt werden
kann, der aktive Wille bedarf in der Verwirklichung des in ihm selber Ungewollten.
Ich kann den Willen nicht wollen. - Im Existentiellen ist der Mensch er selbst nur,
wenn er im Selbstsein sich geschenkt wird. Freiheit ist ein Sichgegebenwerden aus der
Transcendenz. Freiheit in der Welt ist Notwendigkeit aus der Transcendenz. Dieses
Müssen der Freiheit ist nicht causale Notwendigkeit, nicht Zweckmässigkeit, nicht Ge-
horsam gegen ein errechnetes Sollen, nicht gezwungenes Tun, sondern ein von allem
Zwang losgelöstes Wollen, das transcendentes Müssen ist. -
So sind psychophysische Ordnung, psychologische Natürlichkeit, existentielle Ge-
gründetheit Weisen der Verwirklichung, die nicht alternativ in eindeutigem Sinn zu
begreifen sind. Auf sie bleibt auch angewiesen, was unser Bewusstsein in einliniger Ab-
sicht erreichen will.
Die Preisgabe dieses Grundes zugunsten rationaler Fixierung endlicher Ziele ent-
springt aus der Mutlosigkeit, die sich nicht hingeben mag, aus der Bequemlichkeit des
Verstandesgewissenb, aus dem Sicherheitsbedürfnis im Eindeutigen, aus der Gewalt-
samkeit der Seelenleere. Der Mensch sucht eine Zuflucht gerade dort, wo das Leben
aufhört und das Nichts droht, während seine Angst dort das Verlässlichste zu ergrei-
fen meint.
cc. Das Umgreifende wird verwechselt mit partikularer Daseinsbindungü Gehalt-
volles philosophisches Denken entspringt einem Innesein der Seele, der gegenwärtig
ist, was im Gedanken das Bewusstsein seiner selbst, damit Ausdruck und Mitteilung
sucht. Dieses Suchen ist nur möglich aus dem platonischen Eros, diesem im Nichtha-
ben doch schon Haben.316
Im Verstehen philosophischer Schriften kommt es darauf an, dieses Grundes teil-
haftig zu werden. Durch den Gedanken müssen wir hindurch dringen, um mit ihm an
diesen Grund zu kommen, der das Umgreifende ist, aus dem gedacht wurde, das aber
nicht selber adaequater Gegenstand des Gedankens werden kann. Dieser Grund ist im
philosophischen Aneignen zu spüren: in seiner Tiefe und Fülle, in seiner Leere und
a nach Tun im Ms. gestr. , das Unbewusste im Bewussten, sowie im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. ,
das Passive im Aktiven,
b Verstandesgewissen nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt Verstandesgewissens in der Abschrift Ger-
trud Jaspers
c Daseinsbindung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Objektivierung