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Grundsätze des Philosophierens
Verdacht bei ihm selber erwecken, wenn nicht die Leidenschaft desa Herzens und der
eigene Gottesglaubeb den Christusglauben verwehrten.
Sein Anerkennen des Christusglaubens hat aber die Grenze, dass es nicht auch nur
den Ansatz bedeutet zur Annahme des Glaubens für sich selbst, und dass es jeden An-
spruch verwehrt, diesen Glauben als einen vermeintlich ausschliesslich wahren an-
ders als durch freie Verkündigung - wie sie jedem Glauben zustehen müsste - wirksam
werden zu lassen.
Hören wir Gründe für den Sinn und die Wahrheit des Christusglaubens, so erwei-
sen sie sich dem Philosophierenden alle als hinfällig.
Man kann sagen: Der ferne Gott, dem Menschen unerreichbar, sendet einen Mitt-
ler. Der Mensch bedarf des Mittlers, um überhaupt zu Gott zu kommen. Der Christus-
glaube und die Glaubenstatsache des Christusgeschehens wäre dann die Überwindung
des nur Abstrakten der jenseitigen Transcendenz. Gegenüber dem einen, gegenüber
dem blos seienden Gott erscheint hier der sich teilende und mitteilende, der nahe, der
handelnde Gott, der das Heil bringt.
Aber liegt nicht schon in solchen Formulierungen die Verführung zu einer Verschleie-
rung der gottgegebenen Grundsituation des Menschen durch eine einfache Behauptung
von einer Tat Gottes, die diese Situation aufgehoben haben soll? Ist es Schwäche, die die
Ferne Gottes nicht erträgt? Istc es Zudringlichkeit, die Gott zur Gegenwärtigkeit zwingen
möchte? Wird aus dem Festhalten an der Ferne nicht in der Bescheidung auf die gottge-
schenkte nobilitas ingenita in der Kargheit gerade der Reichtum der Seele vermöge der
Kraft ihrer Liebe? Oder ist die Stärke, die dem Christusglauben erwächst, nicht eine
Scheinstärke, wie sie als einfache, Communication abbrechende, dem fragenden Den-
ken Halt gebietende Kraft aller fanatisch festgehaltenen, brutalen0 Positivität zukommt?
Man hat den Christusglauben begründet aus der Offenbarung des Wortes: Christus
ist Gottessohn, weil das Evangelium es verkündet; weil die glaubenden Jünger es sa-
gen; weil Jesus selber es gesagt haben soll; weil solcher Anspruch nur hier in der Welt
auftrete und darum die Art dieses Anspruchs für seine Wahrheit zeuge; weil Märtyrer
ohne Zahl durch ihren Tod die Wahrheit bezeugt haben.
Aber alle diese Gründe sind nur Behauptungen von Menschen. Menschen haben
es geglaubt, es ausgesprochen, sind dafür gestorben. Es bleibt zuletzt immer die Beru-
fung auf die Gnade Gottes, der im Glauben sich dem Glaubenden offenbart habe. Ei-
gentliche Gründe, die für andere Menschen Überzeugungskraft haben, gibt es nicht.
Der Glaubende lässt daher consequenterweise eine Discussion über die Wahrheit sei-
a des im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu seines
b nach Gottesglaube im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. [,] getragen von der biblischen Religion im
Ganzen [,] ihm
c Ist nach der Abschrift Schott statt ist in den Abschriften Gertrud Jaspers und A. F.
d , brutalen im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
Grundsätze des Philosophierens
Verdacht bei ihm selber erwecken, wenn nicht die Leidenschaft desa Herzens und der
eigene Gottesglaubeb den Christusglauben verwehrten.
Sein Anerkennen des Christusglaubens hat aber die Grenze, dass es nicht auch nur
den Ansatz bedeutet zur Annahme des Glaubens für sich selbst, und dass es jeden An-
spruch verwehrt, diesen Glauben als einen vermeintlich ausschliesslich wahren an-
ders als durch freie Verkündigung - wie sie jedem Glauben zustehen müsste - wirksam
werden zu lassen.
Hören wir Gründe für den Sinn und die Wahrheit des Christusglaubens, so erwei-
sen sie sich dem Philosophierenden alle als hinfällig.
Man kann sagen: Der ferne Gott, dem Menschen unerreichbar, sendet einen Mitt-
ler. Der Mensch bedarf des Mittlers, um überhaupt zu Gott zu kommen. Der Christus-
glaube und die Glaubenstatsache des Christusgeschehens wäre dann die Überwindung
des nur Abstrakten der jenseitigen Transcendenz. Gegenüber dem einen, gegenüber
dem blos seienden Gott erscheint hier der sich teilende und mitteilende, der nahe, der
handelnde Gott, der das Heil bringt.
Aber liegt nicht schon in solchen Formulierungen die Verführung zu einer Verschleie-
rung der gottgegebenen Grundsituation des Menschen durch eine einfache Behauptung
von einer Tat Gottes, die diese Situation aufgehoben haben soll? Ist es Schwäche, die die
Ferne Gottes nicht erträgt? Istc es Zudringlichkeit, die Gott zur Gegenwärtigkeit zwingen
möchte? Wird aus dem Festhalten an der Ferne nicht in der Bescheidung auf die gottge-
schenkte nobilitas ingenita in der Kargheit gerade der Reichtum der Seele vermöge der
Kraft ihrer Liebe? Oder ist die Stärke, die dem Christusglauben erwächst, nicht eine
Scheinstärke, wie sie als einfache, Communication abbrechende, dem fragenden Den-
ken Halt gebietende Kraft aller fanatisch festgehaltenen, brutalen0 Positivität zukommt?
Man hat den Christusglauben begründet aus der Offenbarung des Wortes: Christus
ist Gottessohn, weil das Evangelium es verkündet; weil die glaubenden Jünger es sa-
gen; weil Jesus selber es gesagt haben soll; weil solcher Anspruch nur hier in der Welt
auftrete und darum die Art dieses Anspruchs für seine Wahrheit zeuge; weil Märtyrer
ohne Zahl durch ihren Tod die Wahrheit bezeugt haben.
Aber alle diese Gründe sind nur Behauptungen von Menschen. Menschen haben
es geglaubt, es ausgesprochen, sind dafür gestorben. Es bleibt zuletzt immer die Beru-
fung auf die Gnade Gottes, der im Glauben sich dem Glaubenden offenbart habe. Ei-
gentliche Gründe, die für andere Menschen Überzeugungskraft haben, gibt es nicht.
Der Glaubende lässt daher consequenterweise eine Discussion über die Wahrheit sei-
a des im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu seines
b nach Gottesglaube im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. [,] getragen von der biblischen Religion im
Ganzen [,] ihm
c Ist nach der Abschrift Schott statt ist in den Abschriften Gertrud Jaspers und A. F.
d , brutalen im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.