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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0486
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Grundsätze des Philosophierens

483

der Welt wirken zu lassen, kann nicht bedeuten, ihnen auch nur im ersten Schritt zu
folgen, sondern nur, das Wissen um die Weltlichkeit zu erhellen.384
Das Ethos der Jesusworte ist kein Programm für eine neue Einrichtung der Welt. Er
gibt keine Vorschläge. Was aber Jesus fordert - Reinheit des Herzens, Menschenliebe,
Bewusstsein des Maasstabs für die Weltlichkeit unseres Daseins -[,] das würde bei Ver-
wirklichung mit der Verwandlung des Menschen die Welt des Menschen verwandeln.
Diese Verwandlung ist nicht als Zweck zu wollen, sie wäre eine Folge. Jede Verkehrung
des Aufrufs der innersten Motive in eine Zielsetzung desa Wollens verdirbt deren Sinn.
Weiter ist die Frage, ob Wahrheit nicht in der Verbindung der drei Motivbereiche
des Ethos der Jesusworte liege. Alles ist bezogen auf Gott. Die Reinheit hat ihren Sinn
darin, für Gott offen zu werden, die Menschenliebe hat ihren Sinn als Verwirklichung
der Gottesliebe, die weltlose Radikalität ihren Sinn als Maasstab für die Weltlichkeit
all unseres Tuns. In keinem der drei Gebiete werden Gesetze aufgestellt; vielmehr ge-
hen alle Forderungen auf den Grund, aus dem die Antriebe auch der Gesetzeserfüllung
kommen sollen. Aber innerhalb der Forderungen besteht eine Scheidung zwischen
solchen, denen in unendlicher Annäherung zu folgen ist (erste und zweite Gruppe),
und solchen13, denen nicht zu folgen, sondern an denen nur zu messen ist (dritte
Gruppe). Der redliche Mensch muss sich entscheiden, in welchem Sinn er die Forde-
rungen der dritten Gruppe begreift. Er wird sie unausweichlich nicht als seinen Weg
anerkennen, sondern ihnen schon im ersten Ansatz die Nachfolge versagen.
Aber nachdenklich macht, dass diese Scheidung scheint wieder aufhören zu können,
wo das Weltlose selber weltlich, die Ewigkeit zeitlich wird, - irrend in der Erwartung ge-
genwärtigen Weitendes, wahrhaft im geschichtlichen Tun, für das nur ein einziges Bei-
spiel in den Jesusworten vorkommt, nämlich die Forderung der Unauflösbarkeit der Ehe.
Unter innerweltlichen Maasstäben gibt es auch Bedingungen, unter denen eine Ehe auf-
lösbar wirdc. Jesus aber fordert für die Ehe, eine Einrichtung in der Welt, absolut und be-
dingungslos: »Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.«385
Diese Forderung in der Welt hat vermöge der Tiefe ihres Sinns und ihres Strandens an
Realitäten ein Moment jener wahren Weltfremdheit, das in der Welt wirklich ergriffen
werden kann.
2. Enge des Gottesgedankens im Schema von Richtertumd und Gnade: Der Chri-
stusgläubige fühlt sich primär vor Gott als dem Richter, primär sündig, verloren vor
dem Zorn Gottes. Er kann sich nicht aus der Sünde befreien, kann sich selber nicht
helfen. Ihm kann nichts helfen als die Gnade Gottes im Gericht. Der Richtergott naht

a nach des im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. äusseren
b solchen nach der Abschrift Schott statt solche in den Abschriften Gertrud Jaspers und A. F.
c nach wird im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. [,] und das weltliche Recht gibt diese Bedingungen
an
d Richtertum im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Gericht
 
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