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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0491
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488

Grundsätze des Philosophierens

könne, nicht aber in der Meinung, durch das Absurde geradezu eine Wirklichkeit er-
fassen zu können.
Sich der Absurdität zu ergeben, ist die Verzweiflung des Denkens. Die Geltung des
Absurden in der Welt ist umso schauriger, weil in ihr etwas Fascinierendes liegt? Es
gibt für den Philosophen keine Rechtfertigung. Wo er steht, muss er das Absurde auf-
hellen und geistig bekämpfen.
cc. Gegen die Ausschliesslichkeit:407 Es ist ein Grundzug des Christusglaubens, den
er nur selten verliert: der Glaubensinhalt wird nicht nur für absolute Wahrheit, son-
dern für ausschliessende Wahrheit gehalten. Der Christ sagt nicht: das ist mein Weg,
sondern: das ist der Weg, und lässt Christus sprechen: Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben.408 Dem Christusglauben wird der Hochmut erlaubt: Ihr seid das Salz
der Erde; ihr seid das Licht der Welt (und daraus die Forderung13, dass das Salz nicht
dumm werde, das Licht nicht unter den Scheffel gestellt werde).409
Einwände? Wenn Gott Menschen als Kinder haben kann, so liegt es näher, dass
alle Menschen und nichtd ein einzelner allein seine Kinder sind. Der Anspruch, nur
wer an Christus glaube, werde das ewige Leben haben, ist angesichts der menschlichen
Realitäten garnicht überzeugend. Menschen hohen Adels sind überall auch ausserhalb
des Christentums sichtbar; es wäre absurd, wenn sie verloren sein sollten, zumal im
Vergleich zu menschlich so fragwürdigen, kaum liebenswerten Gestalten der grössten
Christen wie Paulus, Augustin, Luther (trotz der unersetzlichen Leistungen ihres theo-
logischen Denkens).410 Die innere Umkehr, die Metanoia heisst, zu der grenzenlos op-
fernden Hingabe, ist nicht nur im Christentum geschehen. Innere Umwandlung, Tiefe
des Opfergedankens, Verwirklichung des Sichselbstopferns sind ausserhalb des Chri-
stentums nicht weniger wahr, grossartig und wirklich. Auch der Ausschliesslichkeits-
anspruch ist doch Menschenwerk und nicht in Gott gegründet, der dem Menschen
viele Wege zu sich geöffnet hat. Doch alle diese rationalen Einwände treffen nicht das
Centrum.
Wo immer in der Welt Menschen eine Glaubenswahrheit ergreifen, ist ihnen diese
Wahrheit giltig. Durchweg jedoch schliessen sie damit keineswegs andere Wahrheit
für andere aus. Philosophisch ist dieses allgemeine Verhalten der Menschen zugleich
das sachlich zutreffende: Was geschichtlich, was existentiell wahr ist, ist zwar unbe-
dingt, aber in seinem Ausgesagtsein und seiner Erscheinung darum nicht Wahrheit
für alle. Umgekehrt: was allgemeingiltig für alle ist (wie die wissenschaftlichen und

a nach liegt, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. Das christlich Absurde ist wie eine Ermutigung alles
anderen Absurden.
b die Forderung in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Vdg. für der Anspruch
c Einwände: nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt Einwände, in den Abschriften Gertrud Jaspers und
A. F. sowie Einwände, in der Abschrift Schott
d nach nicht im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. einige oder
 
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