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Grundsätze des Philosophierens
verwechselt werden. Worauf es zuletzt ankommt, ist nicht Gegenstand einer gedank-
lichen Errechnung oder Ableitung, sondern ein Grund unserer selbst und damit auch
allen unseren Denkens?
f. Vorwürfe seitens der Christusgläubigen gegen die Philosophen. - Vorwürfe, die
von dem religiösen Glauben her gegen Philosophie überall aufgetreten sind, wo Philo-
sophie selbständig wurde, sind im Christentum grundsätzlich geworden. Die bewusste
Ausschliesslichkeit der christlichen Wahrheit fordert diese Steigerung. Aber der allge-
meinen Form nach sind diese Vorwürfe nicht nur von Christen, nicht nur von Religio-
nen, sondern von allen autoritativen Mächten in der Welt seit alters und bis heute
mehr oder weniger klar ausgesprochen worden. Beispiele solcher typischen Vorwürfe
sind:
aa. Der Philosoph sei eigenmächtig: Statt gehorsam gegen Gott zu sein, verlasse er
sich auf sich selbst; statt sich der göttlichen Gnade anzuvertrauen, wolle er für sich
durch eigene Macht verfügbar machen, was er sei und sein wolle. In diesem Vorwurf
stecken eine Reihe von Verwechslungen.
Es ist wahr, dass Freiheit gehaltvoll nur ist im Gehorsam gegen Transcendenz. Die
Frage ist nur, wo und wie ich den Willen Gottes höre. Wenn ich ihn nicht dort höre,
wo der Christusgläubige ihn zu hören meint, so verurteilt er mich als eigenmächtig.
Keineswegs will der Philosoph eigenmächtig verfügbar machen, was nur im Sich-
geschenktwerden geschehen kann. Dieses Sichgeschenktwerden ist aber nicht gebun-
den an eine bestimmte Offenbarung für alle, nicht an einen objektiven Vorgang des
Heilsgeschehens. Es ist nicht ein für allemal geschichtlich für jedermann begründet,
sondern ständig neu zu erfahren in der Ungewissheit. Es ist nicht an Christus gebun-
den, sondern allein an den einen Gott. Das[,] was dem Menschen geschenkt werden
muss in seiner Freiheit als Freiheit, dieb Nichtverfügbarkeit der Ursprüngec, ist nicht
angewiesen auf eine ausschliessend wahre geschichtliche Offenbarung, wohl aber auf
den jeweiligen geschichtlichen Grund und auf die Überlieferung aus der »Achse der
Weltgeschichte« im Ganzen.
Der Gehorsam gegen Gott wird verwechselt mit dem Gehorsam gegen von Men-
schen gemachte Instanzen in der Welt, gegen Buch, Gesetz, Befehl einer Institution.
Wenn gegen die Eigenmächtigkeit des Menschen geeifert wird, so steckt dahinter die
a nach Denkens, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. 11 Sehen wir das Christentum im Ganzen, so be-
deuten alle unsere Erörterungen offenbar nicht eine Verwerfung des Christentums oder auch nur
eine Tendenz dahin. Ich kann nicht wählen, ob ich Christ sein will, ich bin es schon, weil ich
Abendländer bin. Aber ich kann innerhalb der christlichen Welt wählen, ob ich der Linie der Wun-
der, der Linie des specifischen Christusglaubens, der Linie der Katholicität folge oder der der Ver-
nunft. ||
t> Lreiheit, die im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Lreiheit wegen der
c nach Ursprünge im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. für ihn
Grundsätze des Philosophierens
verwechselt werden. Worauf es zuletzt ankommt, ist nicht Gegenstand einer gedank-
lichen Errechnung oder Ableitung, sondern ein Grund unserer selbst und damit auch
allen unseren Denkens?
f. Vorwürfe seitens der Christusgläubigen gegen die Philosophen. - Vorwürfe, die
von dem religiösen Glauben her gegen Philosophie überall aufgetreten sind, wo Philo-
sophie selbständig wurde, sind im Christentum grundsätzlich geworden. Die bewusste
Ausschliesslichkeit der christlichen Wahrheit fordert diese Steigerung. Aber der allge-
meinen Form nach sind diese Vorwürfe nicht nur von Christen, nicht nur von Religio-
nen, sondern von allen autoritativen Mächten in der Welt seit alters und bis heute
mehr oder weniger klar ausgesprochen worden. Beispiele solcher typischen Vorwürfe
sind:
aa. Der Philosoph sei eigenmächtig: Statt gehorsam gegen Gott zu sein, verlasse er
sich auf sich selbst; statt sich der göttlichen Gnade anzuvertrauen, wolle er für sich
durch eigene Macht verfügbar machen, was er sei und sein wolle. In diesem Vorwurf
stecken eine Reihe von Verwechslungen.
Es ist wahr, dass Freiheit gehaltvoll nur ist im Gehorsam gegen Transcendenz. Die
Frage ist nur, wo und wie ich den Willen Gottes höre. Wenn ich ihn nicht dort höre,
wo der Christusgläubige ihn zu hören meint, so verurteilt er mich als eigenmächtig.
Keineswegs will der Philosoph eigenmächtig verfügbar machen, was nur im Sich-
geschenktwerden geschehen kann. Dieses Sichgeschenktwerden ist aber nicht gebun-
den an eine bestimmte Offenbarung für alle, nicht an einen objektiven Vorgang des
Heilsgeschehens. Es ist nicht ein für allemal geschichtlich für jedermann begründet,
sondern ständig neu zu erfahren in der Ungewissheit. Es ist nicht an Christus gebun-
den, sondern allein an den einen Gott. Das[,] was dem Menschen geschenkt werden
muss in seiner Freiheit als Freiheit, dieb Nichtverfügbarkeit der Ursprüngec, ist nicht
angewiesen auf eine ausschliessend wahre geschichtliche Offenbarung, wohl aber auf
den jeweiligen geschichtlichen Grund und auf die Überlieferung aus der »Achse der
Weltgeschichte« im Ganzen.
Der Gehorsam gegen Gott wird verwechselt mit dem Gehorsam gegen von Men-
schen gemachte Instanzen in der Welt, gegen Buch, Gesetz, Befehl einer Institution.
Wenn gegen die Eigenmächtigkeit des Menschen geeifert wird, so steckt dahinter die
a nach Denkens, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. 11 Sehen wir das Christentum im Ganzen, so be-
deuten alle unsere Erörterungen offenbar nicht eine Verwerfung des Christentums oder auch nur
eine Tendenz dahin. Ich kann nicht wählen, ob ich Christ sein will, ich bin es schon, weil ich
Abendländer bin. Aber ich kann innerhalb der christlichen Welt wählen, ob ich der Linie der Wun-
der, der Linie des specifischen Christusglaubens, der Linie der Katholicität folge oder der der Ver-
nunft. ||
t> Lreiheit, die im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Lreiheit wegen der
c nach Ursprünge im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. für ihn