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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0550
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Grundsätze des Philosophierens

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ern. Auch er ist, wie alle mittelalterlichen Denker, deren Werke uns erhalten sind, gläu-
biger Christ (die Ungläubigen, die Skeptiker, Nihilisten sind zumeist nur durch
Widerlegungen und Citate bekannt). Aber Ockham wurde doch exkommuniciert.
Seine Werke gibt es bis heute in keiner modernen Ausgabe. Sie sind nicht ins Deutsche
übersetzt. Vielleicht die einzige grosse Lücke in der bisherigen Bearbeitung der Philo-
sophiegeschichte.
Meister Eckhart ist der unübertroffene Mystiker in deutscher Sprache. Nicht in
schwärmerischem Gerede, sondern in methodischer Speculation erklingt hier die
reine Musik transcendierenden Denkens im Gewände auch christlicher Formen mit
der ersten Schöpfung einer deutschen philosophischen Sprache.478
Nicolaus Cusanus ist vielleicht der erste Philosoph des Mittelalters, dem wir in einer
Atmosphäre begegnen, die uns als die eigene erscheint. Zwar ist er noch ganz Mittelal-
ter in seinem Glauben, denn hier ist noch ungebrochen die Einheit des kirchlichen Glau-
bens, das Vertrauen auf die werdende, alle Völker allen Glaubens schliesslich umfassende
Welteinheit der katholischen Kirche. Aber sein Philosophieren entwirft nicht mehr das
eine System, wie Thomas, bedient sich nicht mehr der scholastischen Methode, welche
das Überlieferte in seinen widersprechenden Gegensätzen logisch aneignet, sondern er
wendet sich geradezu auf die Sachen, seien diese metaphysisch-transcendent oder em-
pirisch-immanent. So geht er je besondere methodische Wege aus eigener Anschauung,
vor der ein wunderbares, in diesen Speculationen sich auf neue Weise enthüllendes Sein
Gottes liegt. In diesem Sein der Gottheit sieht er alle Realitäten der Welt, und zwar so,
dass bei ihm die Speculation den empirischen Einsichten Bahn schafft, und die empiri-
schen wie mathematischen Erkenntnisse zu Mitteln der Gottesanschauung werden. Es
ist in ihm ein umfassendes, allem Realen liebend nahes und es zugleich überschreiten-
des Denken. Die Welt wird nicht umgangen, sondern leuchtet selber auf im Licht der
Transcendenz. Hier ist eine Metaphysik gedacht, die bis heute unersetzlich blieb. In ihr
zu wandeln, gehört zu den glücklichen Stunden des Philosophierenden.
Anders Luther. Ihn zu studieren^] ist unerlässlich. Er ist zwar der theologische
Denker, der die Philosophie verachtet, von der Hure Vernunft redet, der aber selbst
die existentiellen Grundgedanken vollzieht, ohne die das heutige Philosophieren
kaum möglich wäre. Das Ineinander von leidenschaftlichem Glaubensernst und von
anpassungsbereiter Klugheit, von Tiefe und von feindseliger Grundstimmung, von er-
leuchtender Treffsicherheit und von rohem Poltern macht das Studium wie zur Pflicht
so auch zur Qual. Die Atmosphäre, die von diesem Menschen ausgeht, ist fremd und
philosophisch verderblich. Nur in der Verwandlung seines Denkens und gegen ihn fin-
den wir Wahrheit.479 Calvin hat eine disciplinierte, methodische Form, die Grossartig-
keit der letzten Consequenzen, die eiserne Logik, die Unbedingtheit im Festhalten der
Principien. Aber er ist in seiner lieblosen Intoleranz bei theoretischem wie praktischem
Tun der schaurige Gegenpol des Philosophierens. Es ist gut, ihm ins Angesicht gesehen
 
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