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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Einleitung des Herausgebers

LXV

heit: »Ich erinnere mich gut an den Mann [...], der regelmäßiger Gast in unserem
Hause war. [...] Rössner verantwortete ein Verlagsprogramm, das für politische Aufklä-
rung stand. [...] Des Verlagsleiters anhaltendes Engagement für die Zeitgeschichtsschrei-
bung [...] sei ein Reflex auf die deutsche Katastrophe des Nationalsozialismus gewesen.
Wirklich ein Reflex? Oder nicht eher ein Akt dreister Täuschung? Dieser Hans Rössner
nämlich war [...] ein enger Weggefährte jenes erst 1995 enttarnten Germanisten Hans
Schwerte, ehemaliger Rektor der Technischen Hochschule Aachen, der in Wirklich-
keit Hans Ernst Schneider hieß [...]. Im Forschungswerk Wald und Baum haben Rössner
und Schneider ein Konzept des totalen Kriegseinsatzes der Wissenschaft entwickelt -
und nach Kriegsende dann [...] eine Übereinkunft getroffen, was das Beschweigen und
Betünchen des tiefbraunen Vorlebens betrifft. Die Rolle des antifaschistischen Auf-
klärers stand dem einstigen SS-Mann gut zu Gesicht. [...] zumindest einem [...] aber
war das finstere Kapitel sehr wohl bekannt: meinem Vater. Der nämlich hatte 1943
[...] sich ein kleines Buch angeschafft, das vorgab, den neuesten Stand der Forschung
zu spiegeln. Georgekreis und Literaturwissenschaft, Bonn, 1938. [...] Mein Vater hat [...]
den Verfasser irgendwann auch einmal kurz darauf angesprochen [...]: Sind Sie tat-
sächlich der George-Rössner? Er hat's, immerhin, nicht abgestritten, seinen Autor aber
vertröstet. Darüber reden wir später einmal. Doch das Gespräch hat niemals stattgefun-
den. Rössner schwieg. Aber eben auch mein Vater. Nein, besonders hartnäckig war ich da
nicht.«295
Auch eine Verlagsnotiz aus dem Jahr 1973 spricht nicht unbedingt für Pipers Ver-
sion. Die Überlegung, anlässlich des 90. Geburtstags von Jaspers dessen Briefwechsel
mit Hannah Arendt herauszubringen, »da [...] die Briefe gerade in den letzten Lebens-
jahren von Jaspers sicher intensiv auch mit geistigen Zeitbezügen versehen sind«,296
hält Piper für sehr interessant und fordert Rössner auf: »Bitte, Ihre Stellungnahme,
natürlich etwas prekär wegen Hannah Arendt, aber immerhin die Sache spricht für
sich selbst.« Worin nun genau das Prekäre für Rössner bei Hannah Arendt liegt, wird
nicht expliziert, aber dass in diesem Zusammenhang das Wort überhaupt fällt, macht
nur Sinn unter der Voraussetzung, dass Piper um Rössners antijüdische NS-Vergangen-
heit wusste. Im Klartext besagt die Verlagsnotiz: In der Sache kann es für Piper an dem
Buchprojekt eigentlich keinen Zweifel geben, aber wenn Rössner doch einen proble-
matischen Punkt sehen sollte, dann möge er bitte seine antijüdische Einstellung sus-
pendieren, auch wenn ihm das schwerfällt, und in seiner Stellungnahme rein sach-
lich argumentieren.

295 T. Jens: Demenz. Abschied von meinem Vater, Gütersloh 2009, 52-54.

296 K. Piper: Verlagsnotiz, 8. Januar 1973, Konvolut über Jaspers, Karl 1973-1982, DLA, A: Piper.
 
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