Karl Jaspers - Piper Verlag (1947)
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wir umgekehrt verfahren würden, so würde eine solche Vorwegnahme eines wesent-
lichen Teiles des Werkes doch eine Abschwächung dieses selbst bedeuten. Besser noch
als eine eigene Sonderausgabe der dritten Vorlesung in unserem Verlag, nach Erschei-
nen des Werkes, scheint uns zu sein, dass wir recht bald das ganze Buch als Neuauflage
bringen.147 Der Tenor der meisten kritischen Stimmen zur heutigen Bucherzeugung
läuft darauf hinaus, dass viel zu viele Heftchen gemacht werden, viel zu viel geistiges
Gut in kleinen Publikationen verzettelt wird, statt dass wirkliche Bücher herausge-
bracht werden. Die Erkenntnis, dass das letztere tatsächlich viel wichtiger ist, legen
wir unserer eigenen neuen Verlagsarbeit zugrunde und beschränken uns bei Broschü-
ren auf ganz wenige Erscheinungen, denen wir eine zentrale Bedeutung beimessen,
wie es vor allem die weitreichende Wirkung beweist, die von Ihrem »Europäischen
Geist« ausgegangen ist. - Wie wäre es, wenn wir die Vorlesung »Der Mensch« einer
geeigneten Zeitschrift von Rang als Vorabdruck anbieten. Vielleicht der »Wandlung«
oder den »Frankfurter Heften«? Da diese Zeitschriften im allgemeinen nur Original-
beiträge bringen, würden wir uns damit begnügen, wenn dem Abdruck selbst kein
Vermerk auf das bei uns erscheinende Werk zugesetzt wird, sondern wenn darauf, dass
der Vorabdruck dem »Philosophischen Glauben« entstammt, nur in den redaktionel-
len Notizen am Schluss des betreffenden Heftes hingewiesen würde.148
Was Sie über das Register zum grossen Werk bemerken, ist mir klar. Ich hielt es
trotzdem für richtig, dass Fräulein Dr. Salditt als Bearbeiterin desselben zu den Bemer-
kungen unseres Korrektors Stellung nehme und damit Gelegenheit erhielt, noch ein-
mal das Ganze zu überprüfen. Das Register ist noch gestern von Fräulein Dr. Salditt
zurückgekommen und wurde bereits imprimiert an die Druckerei weitergegeben.
Was Sie, Herr Professor, über die »Deutsche Selbstbesinnung« schreiben, hat mich
sehr interessiert. Ich verstehe, dass die Arbeit an diesem Buch nur langsam voran-
schreiten kann. Die psychologisch schwierige Lage, die durch die merkwürdige See-
len- und Geistesverfassung so vieler Menschen in Deutschland gegeben ist, erfordert
tatsächlich besondere Subtilität und zugleich Entschiedenheit. Dies trifft besonders
gegenüber der Jugend zu, die meiner Ansicht nach vor allem durch ein Buch wie das
Ihre in positivem Sinne erfasst werden könnte und sollte. Die notwendige Revision
unseres geschichtlich-politischen Denkens beschäftigt mich selbst viel. Ein verlege-
rischer Beitrag zu dieser Frage wird ein wohl noch Ende des Jahres in unserem Verlag
von Theodor Litt erscheinendes kleines Buch »Wege und Irrwege des geschichtlichen
Denkens« sein.149 Die Revision des Denkens ist bei uns deshalb so schwer, weil den
Deutschen in so besonderem Mass der Instinkt und das Bedürfnis für das Mittlere, für
den Übergang und den Ausgleich abgeht. Man kann dies nicht nur im öffentlichen,
sondern auch sehr häufig im privaten Leben erfahren. So werden auch jetzt wieder
richtige und notwendige Einsichten, die gewiss in vielen Köpfen dämmern, durch fal-
sche Ressentiments an der Durchsetzung in diesen Menschen verhindert. Aber es gibt
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wir umgekehrt verfahren würden, so würde eine solche Vorwegnahme eines wesent-
lichen Teiles des Werkes doch eine Abschwächung dieses selbst bedeuten. Besser noch
als eine eigene Sonderausgabe der dritten Vorlesung in unserem Verlag, nach Erschei-
nen des Werkes, scheint uns zu sein, dass wir recht bald das ganze Buch als Neuauflage
bringen.147 Der Tenor der meisten kritischen Stimmen zur heutigen Bucherzeugung
läuft darauf hinaus, dass viel zu viele Heftchen gemacht werden, viel zu viel geistiges
Gut in kleinen Publikationen verzettelt wird, statt dass wirkliche Bücher herausge-
bracht werden. Die Erkenntnis, dass das letztere tatsächlich viel wichtiger ist, legen
wir unserer eigenen neuen Verlagsarbeit zugrunde und beschränken uns bei Broschü-
ren auf ganz wenige Erscheinungen, denen wir eine zentrale Bedeutung beimessen,
wie es vor allem die weitreichende Wirkung beweist, die von Ihrem »Europäischen
Geist« ausgegangen ist. - Wie wäre es, wenn wir die Vorlesung »Der Mensch« einer
geeigneten Zeitschrift von Rang als Vorabdruck anbieten. Vielleicht der »Wandlung«
oder den »Frankfurter Heften«? Da diese Zeitschriften im allgemeinen nur Original-
beiträge bringen, würden wir uns damit begnügen, wenn dem Abdruck selbst kein
Vermerk auf das bei uns erscheinende Werk zugesetzt wird, sondern wenn darauf, dass
der Vorabdruck dem »Philosophischen Glauben« entstammt, nur in den redaktionel-
len Notizen am Schluss des betreffenden Heftes hingewiesen würde.148
Was Sie über das Register zum grossen Werk bemerken, ist mir klar. Ich hielt es
trotzdem für richtig, dass Fräulein Dr. Salditt als Bearbeiterin desselben zu den Bemer-
kungen unseres Korrektors Stellung nehme und damit Gelegenheit erhielt, noch ein-
mal das Ganze zu überprüfen. Das Register ist noch gestern von Fräulein Dr. Salditt
zurückgekommen und wurde bereits imprimiert an die Druckerei weitergegeben.
Was Sie, Herr Professor, über die »Deutsche Selbstbesinnung« schreiben, hat mich
sehr interessiert. Ich verstehe, dass die Arbeit an diesem Buch nur langsam voran-
schreiten kann. Die psychologisch schwierige Lage, die durch die merkwürdige See-
len- und Geistesverfassung so vieler Menschen in Deutschland gegeben ist, erfordert
tatsächlich besondere Subtilität und zugleich Entschiedenheit. Dies trifft besonders
gegenüber der Jugend zu, die meiner Ansicht nach vor allem durch ein Buch wie das
Ihre in positivem Sinne erfasst werden könnte und sollte. Die notwendige Revision
unseres geschichtlich-politischen Denkens beschäftigt mich selbst viel. Ein verlege-
rischer Beitrag zu dieser Frage wird ein wohl noch Ende des Jahres in unserem Verlag
von Theodor Litt erscheinendes kleines Buch »Wege und Irrwege des geschichtlichen
Denkens« sein.149 Die Revision des Denkens ist bei uns deshalb so schwer, weil den
Deutschen in so besonderem Mass der Instinkt und das Bedürfnis für das Mittlere, für
den Übergang und den Ausgleich abgeht. Man kann dies nicht nur im öffentlichen,
sondern auch sehr häufig im privaten Leben erfahren. So werden auch jetzt wieder
richtige und notwendige Einsichten, die gewiss in vielen Köpfen dämmern, durch fal-
sche Ressentiments an der Durchsetzung in diesen Menschen verhindert. Aber es gibt