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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0183
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82

Karl Jaspers - Piper Verlag (1948)

kommt. Ich freue mich persönlich besonders, daß es möglich war, die zweite Auf-
lage des Werkes schon zu Weihnachten wieder auszuliefern. - »Der philosophische
Glaube« wird viel diskutiert; so hat z.B. kürzlich, wie ich hörte, Professor Schaeder in
Göttingen, von Haus aus Iranist, aber ein Polyhistor, Ihr Buch in seinem Seminar aus-
führlich behandelt.233
Ihren Aufsatz »Vom deutschen Selbstbewußtsein« habe ich mit dem größten Inter-
esse gelesen. Auch mein Vater ist Ihnen für die Übersendung sehr dankbar; er war
ebenfalls durch die Lektüre sehr gefesselt. Dem Ernst und der Überzeugungskraft Ihrer
Thesen kann sich wohl kein deutscher Leser verschließen, der die Lage seines Landes
und Volkes ohne Vorurteil zu sehen sucht. Persönlich kann ich vor allem nur unter-
schreiben, was Sie über die Notwendigkeit sagen, jeder autonomen deutschen Macht-
politik und jedem »Reichs«-Mythos, auch in irgendeiner modernen Verbrämung, zu
entsagen.234
Ich versuchte es mir vorzustellen, wie die Wirkung sein würde, wenn Ihr Aufsatz in
einer Million Exemplaren als Flugblatt über den deutschen Großstädten abgeworfen
würde. Ob dadurch wohl in einer deutlich spürbaren Weise die »Revolutionierung der
deutschen Denkungsart« befördert würde, die Sie mit Recht und mit so großem Nach-
druck als die Voraussetzung für ein neues deutsches Selbstbewußtsein erklären?235 Ich
bin skeptisch, weil der innere deutsche Zustand gegenwärtig so »festgefahren« ist, daß
auch so wesentliche und überzeugende Thesen wie die Ihren wohl nur denen zu wei-
terer Klärung verhelfen können, die die Revision des Denkens entweder schon selbst
vollzogen haben oder die trotz aller Irrtümer innerlich frei genug geblieben sind, um
sich durch das Erleben der letzten Jahre jetzt zu dem Punkt gedrängt zu fühlen, wo die
Selbstbesinnung unerläßlich ist. Für die breiten Schichten des Volkes kann man von
direkter Belehrung wenig erhoffen; es ist damit wohl ebenso wenig auszurichten wie
in der Erziehung des Einzelnen. Die guten Lebenskräfte selbst müssen die Wandlung
bewirken, und die positiven Kräfte innerhalb der Mächte, die Deutschland beherr-
schen, müssen die Wandlung möglich machen. Das schlimmste für den inneren deut-
schen Zustand ist die allgemeine Richtungslosigkeit und das Fehlen einer konkreten
sichtbaren Zukunft. Die Vergangenheit ist ein Dunkel, von dem die meisten den Blick
abwenden. Die Zukunft hat kein Gesicht. So fühlt sich jeder auf dem Punkt des Heute
wie ausgesetzt, auf sich verwiesen, ohne gute und sichere Nachbarschaft.
Bitte nehmen Sie diese Gedanken, verehrter Herr Professor, keineswegs als Ein-
wände gegen die Wichtigkeit Ihres Aufsatzes. Ich kann nur wünschen, daß Ihnen die
Vollendung der Schrift möglich ist. Sie wird denjenigen, die selbst denken und die
auf andere Menschen in gutem Sinn Einfluß zu nehmen vermögen, eine bedeutungs-
volle Hilfe sein.
Bitte erlauben Sie, mich noch zu einigen Gesichtspunkten Ihres Aufsatzes zu äu-
ßern. Als eine Hauptthese in Ihrer Schrift begreife ich die Forderung, daß die Deut-
 
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