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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1948)

einen anderen liebt, hat Macht über ihn, wenn auch keine Gewalt. Die Gesellschaft ist
ohne Machtbeziehungen zwischen ihren Einzelgliedern und Gruppen nicht lebens-
fähig. Die Macht ist durch die Freiheit gleichsam polarisiert. Für Deutschland han-
delt es sich also, wie auch Sie es fordern, um die rechte Erkenntnis der Abstufungen.
Ein deutsches Staatsleben ohne irgendeine Macht, sei es auch nur die durch ein Besat-
zungsstatut verliehene, ist nicht möglich. Mir scheint die klare Sicht dieser Frage aus
zwei Gründen wichtig zu sein. Erstens weil dem deutschen Volk seit Kriegsende neu-
erdings das Spiel der Machtpolitik in jeder Dimension vorgeführt worden ist, nach-
dem es eben, halb taumelnd noch und fast besinnungslos, den spukhaften Zusam-
mensturz der Gewaltherrschaft passiert hatte. Zweitens glaube ich, daß die Frage der
Macht von manchen geistigen Menschen mißverstanden wird. Hat nicht Jacob Burck-
hardts Wort, daß die Macht an sich böse ist, zu vieler Verwirrung beigetragen, - eben
weil die Macht selbst nicht böse ist, wenn sie nicht mißbraucht wird?238
Bitte entschuldigen Sie, verehrter Herr Professor, daß ich etwas zu ausführlich
geworden bin. Es war mir ein Bedürfnis, zu Ihnen doch einige der durch Ihren Aufsatz
angeregten Gedanken auszusprechen.
Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß wir uns außerordentlich auf das Manu-
skript Ihres neuen Werkes freuen. Seine Veröffentlichung wäre für unser Verlagspro-
gramm im nächsten Jahre eine besondere Auszeichnung.
Mit verehrungsvollen Grüßen
Ihr stets ergebener
Klaus Piper
51 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Beigefügt ist ein Vertragsentwurf für »Vom Ursprung und Ziel der Geschichte« (Typoskript; ebd.).
Basel, den 10. XII. 1948
Sehr verehrter Herr Piper!
Haben Sie herzlichen Dank für Ihren gehaltvollen Brief vom 22. Nov. Ihre vortreffli-
chen Bemerkungen zur deutschen Frage finden meine volle Zustimmung. Die Erörte-
rung über Macht und Gewalt billige ich der Sache nach, aber wenn man politisch von
Macht spricht, so meint man eben jene, die im Falle der Nichtwirkung durch Gewalt
sich durchsetzt. Jacob Burckhardt hat doch wohl recht, wie er es meint. Ihre Fälle von
Macht sind tatsächliche, aber in diesen wird nicht die Macht begehrt, wie in der Poli-
tik, sondern ist beiläufige Folge, oft sogar bewusst eingeschränkte oder gar bekämpfte
Folge. Diese Dinge müssten in meinem Buch klar erörtert werden, darin geben Sie mir
einen richtigen Fingerzeig. Überhaupt sind Ihre ungewöhnlich tief dringenden Aus-
 
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