Karl Jaspers - Piper Verlag (1949)
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rer Blüte aus der gleichen Wurzel weitergeben zu können, mit dem Blick auf dessen
Leistungen, die ihm das volle Vertrauen für die Zukunft geben, in der einst sein eige-
ner Rat entbehrt werden muss! Aber möge diese Zukunft noch fern sein und Sie noch
lange Freude am Gedeihen Ihres Werkes haben.
In mir haben Sie einen Autor, dera etwas herausfällt aus der glanzvollen Schar der
Dichter, Schriftsteller, Kunstkenner, die Sie gewohnt sind. Sie waren unbefangen
genug, auch einen Professor, der Psychopathologe und Philosoph ist, dem die Leich-
tigkeit und Genialität jener bedeutenden Männer fehlt, der zu Nüchternheit und
Gelehrsamkeit neigt, aufzunehmen. Ich fühle mich in diesem Kreise, obgleich man
mich vielleicht dort ein wenig fremd empfinden würdeb, trotzdem ungemein zu Hau-
se.' Denn wenn ich meinen Weg auf akademische Weise suchte, so geschah es doch
mit Überwindungen. Als im Jahre 1919 ein Onkel von mir, Theodor Tantzen, damals
Ministerpräsident in Oldenburg, in Weimar Max Weber nach mir fragte,285 der ich
damals Privatdocent war, in der Sorge, was wohl aus seinem Neffen werden könnte,
da antwortete Max Weber, der mir herzlich befreundet war: schwerlich etwas an den
Universitäten, er hat sich zwischen alle Stühle gesetzt. In der Tat: mancher Psychiater
sagte damals von mir: er ist doch eigentlich Philosoph und gehört nicht zu uns, - und
in der philosophischen Fakultät hörte ich: den können wir nicht berufen, er denkt
viel zu sehr naturwissenschaftlich - ich war nur Dr. med. So, denke ich, passe ich doch
ein wenig zu Ihnen, obgleich mir die akademische Fassade besser gelungen ist, als ich
in der Jugend dachte, und obgleich ich einer Idee der Universität verschworen <?>
bin, die zwar kaum wirklich ist, aber doch Gesinnung und Stil prägt.
Und nun noch einmal: Meine herzlichsten Glückwünsche, - in multos annos!
Ihr
K.J.
58 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, hs. PS, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 17. X. 1949
Lieber und verehrter Herr Piper!
Herzlich danke ich Ihnen für Ihren reichhaltigen Brief vom 7. Okt. Das Glückwunsch-
schreiben für Ihren Vater zum 70. Geburtstag habe ich sogleich verfasst und am
a nach der gestr. wohl
b Von obgleich bis würde nicht im hs. Original
c Hause. Vdg. für Hause, wenigstens mehr als in den specifisch wissenschaftlichen, von mir aber
hoch geachteten Verlagen.
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rer Blüte aus der gleichen Wurzel weitergeben zu können, mit dem Blick auf dessen
Leistungen, die ihm das volle Vertrauen für die Zukunft geben, in der einst sein eige-
ner Rat entbehrt werden muss! Aber möge diese Zukunft noch fern sein und Sie noch
lange Freude am Gedeihen Ihres Werkes haben.
In mir haben Sie einen Autor, dera etwas herausfällt aus der glanzvollen Schar der
Dichter, Schriftsteller, Kunstkenner, die Sie gewohnt sind. Sie waren unbefangen
genug, auch einen Professor, der Psychopathologe und Philosoph ist, dem die Leich-
tigkeit und Genialität jener bedeutenden Männer fehlt, der zu Nüchternheit und
Gelehrsamkeit neigt, aufzunehmen. Ich fühle mich in diesem Kreise, obgleich man
mich vielleicht dort ein wenig fremd empfinden würdeb, trotzdem ungemein zu Hau-
se.' Denn wenn ich meinen Weg auf akademische Weise suchte, so geschah es doch
mit Überwindungen. Als im Jahre 1919 ein Onkel von mir, Theodor Tantzen, damals
Ministerpräsident in Oldenburg, in Weimar Max Weber nach mir fragte,285 der ich
damals Privatdocent war, in der Sorge, was wohl aus seinem Neffen werden könnte,
da antwortete Max Weber, der mir herzlich befreundet war: schwerlich etwas an den
Universitäten, er hat sich zwischen alle Stühle gesetzt. In der Tat: mancher Psychiater
sagte damals von mir: er ist doch eigentlich Philosoph und gehört nicht zu uns, - und
in der philosophischen Fakultät hörte ich: den können wir nicht berufen, er denkt
viel zu sehr naturwissenschaftlich - ich war nur Dr. med. So, denke ich, passe ich doch
ein wenig zu Ihnen, obgleich mir die akademische Fassade besser gelungen ist, als ich
in der Jugend dachte, und obgleich ich einer Idee der Universität verschworen <?>
bin, die zwar kaum wirklich ist, aber doch Gesinnung und Stil prägt.
Und nun noch einmal: Meine herzlichsten Glückwünsche, - in multos annos!
Ihr
K.J.
58 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, hs. PS, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 17. X. 1949
Lieber und verehrter Herr Piper!
Herzlich danke ich Ihnen für Ihren reichhaltigen Brief vom 7. Okt. Das Glückwunsch-
schreiben für Ihren Vater zum 70. Geburtstag habe ich sogleich verfasst und am
a nach der gestr. wohl
b Von obgleich bis würde nicht im hs. Original
c Hause. Vdg. für Hause, wenigstens mehr als in den specifisch wissenschaftlichen, von mir aber
hoch geachteten Verlagen.