Karl Jaspers - Piper Verlag (1950) 113
Daß Sie auch weiterhin an dem Buch über die deutsche Selbstbesinnung tätig
sind, freut mich sehr. Das Thema ist nach wie vor für die deutsche Zukunft von vita-
ler Bedeutung. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn unser Verlag einst durch die-
ses Ihr Buch dazu beitragen dürfte, die von Ihnen so genannte Umformung des deut-
schen Geschichtsbewußtseins mit dem Ziel einer maßvollen, realistischen Haltung
nach außen und innen zu befördern. Ich glaube, daß niemand, der dieses Ziel als not-
wendig ansieht, sich durch vorübergehende Erscheinungen beirren lassen sollte, wie
durch die Stillhaltetaktik von westalliierter Seite gegenüber neuen deutschen natio-
nalistischen Strömungen aus Angst vor dem Osten.
Sie schrieben, daß Sie noch weitere Pläne hätten. Ich bewundere es, wieviele Ideen
Ihnen zuströmen und wie Sie, verehrter Herr Professor, Ihre denkerische Aktivität,
ich darf sagen: gleichzeitig immer auch wieder auf große Fragen der zeitgenössischen
Wirklichkeit richten. Sie zur baldigen Vollendung eines Ihrer Buchpläne drängen zu
wollen, liegt mir fern. Freuen wird es mich aber sehr, wenn Sie uns eines Tages ein
neues Manuskript ankündigen werden.
Sollte Ihnen im Lauf des Sommers mein Besuch in Basel erwünscht sein, so würde
ich Ihrer Aufforderung sehr gern Folge leisten. Demnächst sind Sie wohl, wie ich Pres-
senotizen entnahm, zu Gastvorlesungen in Heidelberg zu erwarten.314 Dort möchte
ich Sie nicht behelligen, da Sie dann gewiß sehr in Anspruch genommen sind. Sehr
interessiert hat es mich zu lesen, daß Sie dem internationalen Komitee des Berliner
Kongresses für kulturelle Freiheit angehören. Haben Sie die Absicht, an diesem Kon-
greß persönlich teilzunehmen?
Werden Sie Ihren Urlaub dies Jahr wieder in St. Moritz verbringen? Das Hotel Wald-
haus in Sils Maria, in dem mich Ihre Gattin letztes Jahr so gut untergebracht hatte,
schrieb mir einen kleinen, vom Inhaber unterzeichneten Brief, daß es sich freuen
würde, mich als Sommergast wieder zu sehen. An eine Vergnügungsreise in das schöne
Engadin kann ich nicht denken. Ich fand aber die echt schweizerische Aufmerksam-
keit, mit der sich das Hotel dem deutschen Gast in Erinnerung brachte, sehr nett.
Ich bemerke eben, daß ich Ihnen noch Bescheid schuldig bin auf Ihre Anfrage
wegen des Manuskripts von Rudolf Kress: »Sein - ein Versuch negativer Metaphy-
sik«.315 Ich würde Sie bitten, uns das Manuskript zugehen zu lassen, wenn wir nicht
gegenwärtig in einem Maß wie kaum je zuvor gezwungen wären, unser Verlagspro-
gramm mit der größten Vorsicht zu bemessen.
Soeben war Professor Alfred Weber, der in Ebenhausen im Isartal zur Erholung
weilt, bei uns im Verlag. Er führte aus seinen persönlichsten Erfahrungen in drasti-
scher Weise aus, wie sehr die geisteswissenschaftliche Forschung in Deutschland
dadurch bedroht ist, daß die Bildungsschicht finanziell in Verhältnissen lebt, die
Bücheranschaffungen kaum mehr möglich machen. Ich selbst hüte mich vor jeder
einseitigen pessimistischen Betrachtung, denn der Absatzerfolg, den wir mit Ihrem
Daß Sie auch weiterhin an dem Buch über die deutsche Selbstbesinnung tätig
sind, freut mich sehr. Das Thema ist nach wie vor für die deutsche Zukunft von vita-
ler Bedeutung. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn unser Verlag einst durch die-
ses Ihr Buch dazu beitragen dürfte, die von Ihnen so genannte Umformung des deut-
schen Geschichtsbewußtseins mit dem Ziel einer maßvollen, realistischen Haltung
nach außen und innen zu befördern. Ich glaube, daß niemand, der dieses Ziel als not-
wendig ansieht, sich durch vorübergehende Erscheinungen beirren lassen sollte, wie
durch die Stillhaltetaktik von westalliierter Seite gegenüber neuen deutschen natio-
nalistischen Strömungen aus Angst vor dem Osten.
Sie schrieben, daß Sie noch weitere Pläne hätten. Ich bewundere es, wieviele Ideen
Ihnen zuströmen und wie Sie, verehrter Herr Professor, Ihre denkerische Aktivität,
ich darf sagen: gleichzeitig immer auch wieder auf große Fragen der zeitgenössischen
Wirklichkeit richten. Sie zur baldigen Vollendung eines Ihrer Buchpläne drängen zu
wollen, liegt mir fern. Freuen wird es mich aber sehr, wenn Sie uns eines Tages ein
neues Manuskript ankündigen werden.
Sollte Ihnen im Lauf des Sommers mein Besuch in Basel erwünscht sein, so würde
ich Ihrer Aufforderung sehr gern Folge leisten. Demnächst sind Sie wohl, wie ich Pres-
senotizen entnahm, zu Gastvorlesungen in Heidelberg zu erwarten.314 Dort möchte
ich Sie nicht behelligen, da Sie dann gewiß sehr in Anspruch genommen sind. Sehr
interessiert hat es mich zu lesen, daß Sie dem internationalen Komitee des Berliner
Kongresses für kulturelle Freiheit angehören. Haben Sie die Absicht, an diesem Kon-
greß persönlich teilzunehmen?
Werden Sie Ihren Urlaub dies Jahr wieder in St. Moritz verbringen? Das Hotel Wald-
haus in Sils Maria, in dem mich Ihre Gattin letztes Jahr so gut untergebracht hatte,
schrieb mir einen kleinen, vom Inhaber unterzeichneten Brief, daß es sich freuen
würde, mich als Sommergast wieder zu sehen. An eine Vergnügungsreise in das schöne
Engadin kann ich nicht denken. Ich fand aber die echt schweizerische Aufmerksam-
keit, mit der sich das Hotel dem deutschen Gast in Erinnerung brachte, sehr nett.
Ich bemerke eben, daß ich Ihnen noch Bescheid schuldig bin auf Ihre Anfrage
wegen des Manuskripts von Rudolf Kress: »Sein - ein Versuch negativer Metaphy-
sik«.315 Ich würde Sie bitten, uns das Manuskript zugehen zu lassen, wenn wir nicht
gegenwärtig in einem Maß wie kaum je zuvor gezwungen wären, unser Verlagspro-
gramm mit der größten Vorsicht zu bemessen.
Soeben war Professor Alfred Weber, der in Ebenhausen im Isartal zur Erholung
weilt, bei uns im Verlag. Er führte aus seinen persönlichsten Erfahrungen in drasti-
scher Weise aus, wie sehr die geisteswissenschaftliche Forschung in Deutschland
dadurch bedroht ist, daß die Bildungsschicht finanziell in Verhältnissen lebt, die
Bücheranschaffungen kaum mehr möglich machen. Ich selbst hüte mich vor jeder
einseitigen pessimistischen Betrachtung, denn der Absatzerfolg, den wir mit Ihrem