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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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150 Karl jaspers - Piper Verlag (1951)

Geschichte so verhängnisvollen Trennung von Macht und Geist doch einmal ein
fruchtbareres Verhältnis wird. Vielleicht wäre es eine taktisch-psychologische Auf-
gabe Ihres Buchs, ohne irgend ein Nachgeben in seiner Grundposition, das Gewicht
weniger in frontale pädagogische Thesen zu legen (»Geh in Dich, Deutscher!«), son-
dern den denkenden Leser - der muß allerdings vorausgesetzt werden - zur inneren
Annahme Ihrer Forderungen fast zu verführen. Ihre »Selbstbesinnung« wird dem
deutschen Leser das, was ihn bedrückt, nicht auf einmal leicht machen können. Sie
wird Strenge, ja Unerbittlichkeit in sich haben. Trotzdem sollte Ihr Buch im Ender-
gebnis - verzeihen Sie, wenn ich meinen Gedanken so freien Lauf lasse - bei allem,
was geschehen ist, mehr noch ein Buch der Hoffnung und der Liebe als nur eines der
Absage und Warnung sein. Ich habe neulich in dem kürzlich erschienenen Briefband
von Hermann Hesse gelesen,4°9 den ich als Dichter und entschiedenen Geist seit lan-
gem verehre. Dabei konnte ich mich nicht des Gefühls erwehren, daß in manchen
dieser Briefe ein Geist starrer Abweisung fühlbar ist, der nicht zu gewinnen vermag.
Die Menschen gewinnen, in ihnen fruchtbar werden, das sollte Ihr Buch, gerade auch
darin, daß es das »Kreuz«, unter dem wir alle zu leben gezwungen sind, kompromiß-
los aufzeigt: einerseits läßt sich nicht mit dem Funktionär einer politischen Theolo-
gie von absolutem Anspruch reden, und doch muß das von Ihnen so oft und über-
zeugend betonte Gebot der »Communikation« zum Fundament deutschen sozialen
Lebens werden. Wie sollten anders die staatsbürgerlichen Tugenden des Wirklich-
keitssinns und maßvoller Kritik zur Geltung kommen? Es gilt das moralische und
politische Vakuum vieler Deutschen mit Aufgabe und Sinn zu füllen, wenn auch
die Demarkationslinie zwischen Moskau und Washington mitten durch Deutsch-
land geht. Es sollten mehr Deutsche als bisher davon überzeugt werden, daß wir
zur Gewinnung der Zukunft, wenn auch neue Lebensformen durch die geschicht-
liche Vergangenheit mitbestimmend sind, nicht einer mystischen, dem Nihilis-
mus wiederum und dann endgültig anheimfallenden »Hierarchie« ä la Salomon be-
dürfen.
Als eine Frage für Ihr Buch sehe ich noch: Wieweit kann es sich direkter Befassung
mit den aktuellen politischen Vorgängen enthalten und dadurch an Unabhängigkeit
gewinnen, ohne daß dafür Unverbindlichkeit in Kauf genommen werden muß?
An meiner Bejahung Ihres Buchplans, wie ich sie in meinem Brief von Anfang März
ausdrückte,410 hat sich nichts geändert. Meine Absicht, von der ich Ihnen schrieb, in
der zweiten Oktober-Hälfte Sie zu besuchen, möchte ich nun erst recht durchführen,
nachdem Sie mich, Herr Professor, in Ihrem letzten Brief selbst dazu aufforderten.
Meine Frau möchte, wenn sie nicht häusliche Pflichten hindern, sehr gern mitfah-
ren. Wäre es Ihnen Recht, wenn wir in den Tagen vom 22. bis 25. Oktober nach Basel
kämen? Ich würde mir erlauben, Ihnen das genaue Datum noch mitzuteilen. Ihr lie-
benswürdiges Angebot, bei Ihnen zu wohnen, würden meine Frau und ich dankbar
 
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