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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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222

Karl Jaspers - Piper Verlag (1955)

135 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, hs. PS, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 15. April 1955
Lieber Herr Piper!
Ich hätte Ihnen einen sehr langen Brief zu schreiben und würde es gerne tun, wenn
die Zeit nicht grade heute so bedrängt wäre. Ihre Bemerkungen zu dem amerikani-
schen Buche scheinen mir in der Wendung »Der Kreml ist nicht der Vatikan« völlig
richtig. Aber das Problem ist gross. Der entscheidende Unterschied scheint mir, dass
es dem Totalitarismus der Kirche niemals wie dem Marxismus gelungen ist, mit der
politischen Macht identisch zu werden. Das ist im Mittelalter gescheitert. Es bleibt
das indirekte Herrschaftsverfahren, das mit einer ständigen Spannung und darum
mit möglicher Freiheit verknüpft ist. Es bleiben die ausserordentlichen Tatsachen,
dass der Vatikan mit Franco im Bunde totalitär ist, und dass er als erste Weltmacht mit
Hitler ein Konkordat abschloss,674 das nicht nur im Ethos grauenerweckend, sondern
politisch dumm war. Nun würde ich glauben, dass das amerikanische Buch die Dinge
viel zu einfach sieht, und vor allem, dass diese Frage heute, wenn auch akuter als vor
hundert Jahren, noch lange nicht eine wirkliche Gefahr heraufbeschwört. Vermut-
lich würde man für das amerikanische Buch gar nicht eintreten können. Insofern bin
ich mit Ihnen völlig einverstanden. Dass Sie den Verlag ablehnen, ist mir auch in kei-
ner Weise schmerzlich, zumal eine an sich erwünschte Diskussion dieser Dinge heute
wahrscheinlich sehr bald unsachlich und tumultuarisch würde. Der Druck einer ein-
deutigen amerikanischen Auffassung ist Ihnen wie auch mir nicht geheuer.
Ich schicke Ihnen Ihrem Wunsche entsprechend das erste Kapitel des Schelling-
Buches. Jedoch muss ich Sie bitten, es mir bald zurückzuschicken, denn es ist das
Druckmanuskript, das ich am Schluss noch einmal durchfliegen will wegen eventu-
eller stilistischer Verbesserungen oder möglicher kleiner Kürzungen. Falls wir einen
Kleindruck wählten, müsste ich ihn noch am Rande als solchen bezeichnen. Das Buch
wird fünf Kapitel umfassen. Sie liegen jetzt sämtlich in Schreibmaschinenabschrift
vor, aber bedürfen noch jener Korrektur, die nur im ersten Kapitel grade abgeschlos-
sen ist. Die fünf Kapitel lauten: 1. Persönlichkeit und Werk - 2. Was Philosophie für
Schelling bedeutet - 3. Das Erdenken des Seins - 4. Die Frage nach der Substanz Schel-
lingschen Philosophierens - 5. Schelling im Raum der Mächte und der Geschichte.
Das dritte Kapitel ist das im thematischen Sinne unmittelbar philosophische und
wird samt der darin enthaltenen Kritik wohl an Umfang fast doppelt so gross sein wie
das erste Kapitel. Die andern drei Kapitel sind wieder kürzer, aber noch nicht endgül-
tig dem Umfang nach zu bestimmen.
Nun ist die Frage so zu stellen, ob dieses Buch im Typus meiner zukünftigen philo-
sophiehistorischen Veröffentlichungen gedruckt werden soll. Für diese Veröffentli-
 
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