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Karl Jaspers - Piper Verlag (1958)
193 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, hs. PS, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 19. VII. 1958
Lieber Herr Piper!
Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 15/7. Schön, was Sie über die »innere Festung«
schreiben. Es wird Ihnen gelingen, aber es ist nicht leicht.
Also Sie haben mit Ihrem Optimismus inbezug auf die Atombombe völlig recht
behalten. Die erste Auflage ausverkauft! So schnell wie 1931 beim Göschenbändchen,
nur dass dies Buch jetzt 25.- Mk kostet. Es ist ein enormer Erfolg, zu grösstem Teil dank
Ihrer hervorragenden Propaganda. Nun hoffe ich, dass das Buch in die Seelen dringt
und weiter seinen Gang geht.
Statt meiner Sorge wegen überschnellen Neudrucks tritt nun sogar eine Liefe-
rungslücke ein. Das wird aber wohl kaum schaden. Ich sehe, was Voraussicht und Ent-
schluss des Verlegers bedeutet, und wie »ängstlich« ich selber bin.
Dass ich jetzt kein zweites Vorwort schreibe, ist ganz recht. Im Augenblick denke
ich, dass ich sowohl die Bearbeitung wie ein zweites Vorwort erst im nächsten Jahr
schreibe.1003 Bis dahin können die Reaktionen vielleicht so weit gehen, dass eine Bear-
beitung sich lohnt, - falls dann, wie ich hoffe, das Interesse noch bleibt und das Buch
nicht schon zum alten Eisen geworfen wird.
Nun der Spiegel: Meine erste Reaktion war natürlich, Ihrem Wunsche zu folgen,
der Entschluss wurde aber leider zuletzt in das Gegenteil gekehrt. Ich begründe Ihnen
vertraulich: Zwar haben Strauß, Ulbricht, Erhard, Hesse solche Interviews gewährt.
Aber mir scheint, dass die Weise des Bloßstellens nicht eigentlich wahrhaftig und
garnicht fair war. Da ich einverstanden sein muss zum Interview, also auch die ganze
Verantwortung für seine Wirklichkeit trage, stelle ich mich gleichsam ausserhalb der
Solidarität der literarisch anständigen Leute. Es ist nicht gut möglich, dem Spiegel
Vertrauen zu schenken. Nach seiner ganzen Art muss man erwarten, dass, wie immer,
eine Aufmachung geplant ist, die sensationell und unsachlich ist. Der »Zufall« will,
dass in der letzten Nummer des Spiegels (hier seit vorgestern käuflich) mehrere Leser-
zuschriften publiciert sind, die in nicht qualificierbarer Weise über mein Buch und
mich herfallen,1004 und dass ein Leitartikel der Redaktion mein Buch lächerlich macht
unter dem Titel: si tacuisses, philosophus mansisses.1005 Es ist mir fast unbegreiflich,
dass eine Redaktion, die solches eben hat drucken lassen, mich zum Interview auffor-
dern kann, als ob man ein Wild sei, das einzufangen ist mit Zuckerbrot, um mit ihm
ein Gaudi aufzuführen. Ich glaube, dass man den Ausfall dieser Propaganda in Kauf
nehmen muss. Das Entscheidende ist, dass man mir mit Recht Vorwürfe machen
kann, in solchem Kreise freiwillig so zu erscheinen. Würde ich - eine utopische Mög-
lichkeit fingierend - von der Behörde des Staats, in dem ich lebe, oder von der Uni-
Karl Jaspers - Piper Verlag (1958)
193 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, hs. PS, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 19. VII. 1958
Lieber Herr Piper!
Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 15/7. Schön, was Sie über die »innere Festung«
schreiben. Es wird Ihnen gelingen, aber es ist nicht leicht.
Also Sie haben mit Ihrem Optimismus inbezug auf die Atombombe völlig recht
behalten. Die erste Auflage ausverkauft! So schnell wie 1931 beim Göschenbändchen,
nur dass dies Buch jetzt 25.- Mk kostet. Es ist ein enormer Erfolg, zu grösstem Teil dank
Ihrer hervorragenden Propaganda. Nun hoffe ich, dass das Buch in die Seelen dringt
und weiter seinen Gang geht.
Statt meiner Sorge wegen überschnellen Neudrucks tritt nun sogar eine Liefe-
rungslücke ein. Das wird aber wohl kaum schaden. Ich sehe, was Voraussicht und Ent-
schluss des Verlegers bedeutet, und wie »ängstlich« ich selber bin.
Dass ich jetzt kein zweites Vorwort schreibe, ist ganz recht. Im Augenblick denke
ich, dass ich sowohl die Bearbeitung wie ein zweites Vorwort erst im nächsten Jahr
schreibe.1003 Bis dahin können die Reaktionen vielleicht so weit gehen, dass eine Bear-
beitung sich lohnt, - falls dann, wie ich hoffe, das Interesse noch bleibt und das Buch
nicht schon zum alten Eisen geworfen wird.
Nun der Spiegel: Meine erste Reaktion war natürlich, Ihrem Wunsche zu folgen,
der Entschluss wurde aber leider zuletzt in das Gegenteil gekehrt. Ich begründe Ihnen
vertraulich: Zwar haben Strauß, Ulbricht, Erhard, Hesse solche Interviews gewährt.
Aber mir scheint, dass die Weise des Bloßstellens nicht eigentlich wahrhaftig und
garnicht fair war. Da ich einverstanden sein muss zum Interview, also auch die ganze
Verantwortung für seine Wirklichkeit trage, stelle ich mich gleichsam ausserhalb der
Solidarität der literarisch anständigen Leute. Es ist nicht gut möglich, dem Spiegel
Vertrauen zu schenken. Nach seiner ganzen Art muss man erwarten, dass, wie immer,
eine Aufmachung geplant ist, die sensationell und unsachlich ist. Der »Zufall« will,
dass in der letzten Nummer des Spiegels (hier seit vorgestern käuflich) mehrere Leser-
zuschriften publiciert sind, die in nicht qualificierbarer Weise über mein Buch und
mich herfallen,1004 und dass ein Leitartikel der Redaktion mein Buch lächerlich macht
unter dem Titel: si tacuisses, philosophus mansisses.1005 Es ist mir fast unbegreiflich,
dass eine Redaktion, die solches eben hat drucken lassen, mich zum Interview auffor-
dern kann, als ob man ein Wild sei, das einzufangen ist mit Zuckerbrot, um mit ihm
ein Gaudi aufzuführen. Ich glaube, dass man den Ausfall dieser Propaganda in Kauf
nehmen muss. Das Entscheidende ist, dass man mir mit Recht Vorwürfe machen
kann, in solchem Kreise freiwillig so zu erscheinen. Würde ich - eine utopische Mög-
lichkeit fingierend - von der Behörde des Staats, in dem ich lebe, oder von der Uni-