Karl Jaspers - Piper Verlag (1958)
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Sie tun es mir persönlich gegenüber auf eine schöne, unserer fachlichen, immer näher
gewordenen Beziehung entsprechenden Weise. Meine Frau citiert gern drei Goethe-
worte, mit denen er zuweilen einen Brief schloss: »Und so fort«. Das wünsche ich mir
für uns beide.
In Locarno war ich zweimal krank - die typischen bronchiektatischen Fieberzu-
stände, die bie jeder Unregelmässigkeit so leicht auftreten. Zwei Tage lag ich wie bei
einer schweren Infektion abwechselnd schlafend und wachend, im Bett. Aber ich
habe mich erstaunlich schnell erholt. Es war eine Mahnung, wie vorsichtig ich in
Frankfurt und Wiesbaden sein muss. Es bleibt mir nichts übrig, als rücksichtslos zu
sein - durchaus gegen meine Natur.
Mit den beiden Vorträgen geriet ich dabei sehr in Rückstand, zumal ich erst Ende
Juli zu schreiben begann. Nun ist der Frankfurter Vortrag fertig, der Wiesbadener noch
garnicht.
Dr. Rössner dachte an eine selbständige Veröffentlichung des Frankfurter Vor-
trags.1014 Ich bin eigentlich nicht dafür. Abgesehen von der Kürze, die auch für eine
Broschüre zu wenig ist, möchte ich dieser Äusserung nicht gern Gewicht geben.1015
Wenn es vergönnt ist, kommt das Deutschland-Buch, in dem alles gründlich und aus-
führlich, und vor allem sehr viel anders entwickelt würde. Doch dies Buch ruht zur
Zeit. Ich dränge zu den grossen Philosophen.
Mit herzlichen Grüssen, auch von meiner Frau und für die Ihrige
Ihr Karl Jaspers
196 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, hs. PS, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
20. September 1958
Lieber Herr Professor!
Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Übersendung des Manuskripts an meine Privat-
Adresse.1016 Ich habe den Text gleich heute morgen gelesen und bin sehr beeindruckt
von dem substantiellen Gehalt, und glaube, daß die Rede eine starke Wirkung haben
wird. Besonders wertvoll finde ich die konkreten Beispiele. Höchst wichtig der Appell
an die beiden großen deutschen Parteien zu einer Gemeinsamkeit in den Grundfra-
gen, ferner die Begründung eines neuen politischen Bewußtseins Deutschlands aus
einem apolitischen, tiefer zurückreichenden Selbstbewußtsein, von da die Überlei-
tung zu einem künftigen neuen Selbstbewußtsein der Völker.
Ich habe den Text so gelesen, als ob ich schon in der Paulskirche säße und ihn in
dieser Atmosphäre der aufnahmebereiten, aber auch prüfenden Erwartung hörte. An
einigen Stellen wünschte ich mir dabei noch gewisse Verdeutlichungen. Ich hoffe, Sie
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Sie tun es mir persönlich gegenüber auf eine schöne, unserer fachlichen, immer näher
gewordenen Beziehung entsprechenden Weise. Meine Frau citiert gern drei Goethe-
worte, mit denen er zuweilen einen Brief schloss: »Und so fort«. Das wünsche ich mir
für uns beide.
In Locarno war ich zweimal krank - die typischen bronchiektatischen Fieberzu-
stände, die bie jeder Unregelmässigkeit so leicht auftreten. Zwei Tage lag ich wie bei
einer schweren Infektion abwechselnd schlafend und wachend, im Bett. Aber ich
habe mich erstaunlich schnell erholt. Es war eine Mahnung, wie vorsichtig ich in
Frankfurt und Wiesbaden sein muss. Es bleibt mir nichts übrig, als rücksichtslos zu
sein - durchaus gegen meine Natur.
Mit den beiden Vorträgen geriet ich dabei sehr in Rückstand, zumal ich erst Ende
Juli zu schreiben begann. Nun ist der Frankfurter Vortrag fertig, der Wiesbadener noch
garnicht.
Dr. Rössner dachte an eine selbständige Veröffentlichung des Frankfurter Vor-
trags.1014 Ich bin eigentlich nicht dafür. Abgesehen von der Kürze, die auch für eine
Broschüre zu wenig ist, möchte ich dieser Äusserung nicht gern Gewicht geben.1015
Wenn es vergönnt ist, kommt das Deutschland-Buch, in dem alles gründlich und aus-
führlich, und vor allem sehr viel anders entwickelt würde. Doch dies Buch ruht zur
Zeit. Ich dränge zu den grossen Philosophen.
Mit herzlichen Grüssen, auch von meiner Frau und für die Ihrige
Ihr Karl Jaspers
196 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, hs. PS, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
20. September 1958
Lieber Herr Professor!
Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Übersendung des Manuskripts an meine Privat-
Adresse.1016 Ich habe den Text gleich heute morgen gelesen und bin sehr beeindruckt
von dem substantiellen Gehalt, und glaube, daß die Rede eine starke Wirkung haben
wird. Besonders wertvoll finde ich die konkreten Beispiele. Höchst wichtig der Appell
an die beiden großen deutschen Parteien zu einer Gemeinsamkeit in den Grundfra-
gen, ferner die Begründung eines neuen politischen Bewußtseins Deutschlands aus
einem apolitischen, tiefer zurückreichenden Selbstbewußtsein, von da die Überlei-
tung zu einem künftigen neuen Selbstbewußtsein der Völker.
Ich habe den Text so gelesen, als ob ich schon in der Paulskirche säße und ihn in
dieser Atmosphäre der aufnahmebereiten, aber auch prüfenden Erwartung hörte. An
einigen Stellen wünschte ich mir dabei noch gewisse Verdeutlichungen. Ich hoffe, Sie