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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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452

Karl Jaspers - Piper Verlag (1963)

Der Hauptpunkt der Diskussion und des sorgenvollen Bedenkens - nicht nur nach
dem »New Yorker«-Eindruck in Amerika, sondern wahrscheinlich auch später in
Deutschland - ist die Frage der Mitschuld der Juden, die mit den Nazi-Behörden ver-
handelten. Diesen Punkt hat kürzlich Hermann Proebst, der Chefredakteur der Süd-
deutschen Zeitung, in einem Rundfunkbeitrag mit starker Kritik aufgegriffen. Soeben
schreibt mir der Schriftsteller Robert Neumann den in Fotokopie beiliegenden Brief,
den ich gleichzeitig auch Hannah Arendt schicke.1427
Ich überlege, ob Hannah Arendt für die deutsche Ausgabe ein Vorwort schreiben
sollte, das dazu dienen würde, Mißverständnisse oder schädliche Wirkungen, wie
Neumann und andere befürchten, zu verhindern. Dabei weiß ich selbst und achte dies
sehr hoch, dass es ihr um nichts andres gegangen ist als um die Frage, wie es wirklich
war, ohne Rücksicht auf die mögliche Verletzung subjektiver Gefühle. Der Mut und
die Energie, mit der Hannah Arendt dies Ziel, die Wahrheit zu erreichen, angegangen
ist, muß sehr bewundert werden. Und gerade kommt es ja darauf an, zur Verbreitung
der entscheidenden Erkenntnis beizutragen, die im Untertitel des Buchs ausgespro-
chen ist: »Bericht von der Banalität des Bösen«. Diese Erkenntnis hat in sehr vielen
Menschen noch nicht stattgefunden, so daß der Verbreitung des EICHMANN-Buchs
gerade auch in Deutschland eine große Bedeutung zukommt. Ich habe das Manu-
skript Wort für Wort mit großer Ergriffenheit gelesen. In der Klarheit und der unpa-
thetischen Wucht der Darstellung erinnert es an Texte antiker Geschichtsschreibung.
Erfreulicherweise haben wir in der Person von Frau Dr. Granzow, Köln, eine Über-
setzerin gefunden, mit der auch Hannah Arendt vollkommen einverstanden ist.1428
Ich glaube, wir werden einen sehr guten deutschen Text bekommen. Allerdings kann
unsere Ausgabe erst Anfang des nächsten Jahres erscheinen, was aber deshalb ein Vor-
zug ist, weil das Buch in der Flut der neuen belletristischen Bücher im Herbst sicher
nicht so zur Geltung kommen würde wie »freigestellt« gleich zu Anfang 1964.
Sind Sie - am II. Band - noch mit dem Cusanus beschäftigt oder inzwischen schon
mit einem anderen Denker?
In der Hoffnung, daß es Ihnen, lieber Herr Professor, gut geht, bin ich für heute
Ihr
Klaus Piper
 
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