Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)
531
311 Karl Jaspers an Hans Rössner
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers 4000 Basel Austrasse 126
Beigefügt ist die von Piper erbetene briefliche Stellungnahme über Sorensens Kennedy-Buch.
Basel, den 23. April 1966
Sehr geehrter Herr Dr. Rössner!
Beiliegend schicke ich Ihnen den angekündigten Brief über Sorensens »Kennedy«.1694
Wenn Sie wollen, können Sie ihn publizieren, dürfen es natürlich auch lassen, -
mein Brief verpflichtet Sie zu nichts. Jedoch bitte ich Sie, nicht wegzulassen die Ein-
schränkung, die ich zum Schlüsse mache. Es würde unwahrhaftig sein, wenn ich ver-
schwiege, dass das Buch literarisch gesehen im Grunde miserabel ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr ergebener
Karl Jaspers
311a) Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers 4000 Basel Austrasse 126
Basel, den 23. April 1966
Lieber Herr Piper!
Sorensens »Kennedy« habe ich mit Ergriffenheit gelesen. Dieser Bericht eines Man-
nes, der 14 Jahre mit Kennedy als dessen ständiger Berater zusammengelebt hat und
daher ein intimster Zeuge ist, hat eine grossartige Anschaulichkeit, weil der Gegen-
stand so gross ist. Kennedy wird in seiner Wirklichkeit des Alltags, der Arbeit, der gros-
sen Augenblicke in das helle Licht eines modernen Beobachters gestellt. Und Kennedy
leidet nicht darunter, sondern wird nur grösser. An den Anfang stellt Sorensen die
amerikanische Wendung: »Der wahrhaft aussergewöhnliche Mann ist der gewöhn-
liche Mann.«1695 Das bestätigt dieses Buch. Der Wille zur Wahrheit und Wirklich-
keit, zur Gerechtigkeit und zum Frieden ist in diesem vollkommenen Verantwortlich-
keitsbewusstsein so rein, dass der besondere Charakter mit seinen zumeist störenden
Eigenheiten zurücktritt wie etwa bei Thukydides der Charakter des Perikles.1696 Wenn
reine Vernunft in politischer Weisheit wirkt, dann ist das Individuum so gross, dass
die Psychologie schweigen muss. Man erfährt durch zahllose Einzelheiten von dem
Leben, Denken und Verhalten eines solchen Mannes. Man sieht, wie ein moderner
Mensch in hellstem Lichte, doch in neuer Gestalt, die grösste Tradition Amerikas fort-
gesetzt hat. Die hohe Bildung der Gründer-Väter, der Mut, die Uneigennützigkeit und
vor allem dieses hohe Bewusstsein von der Politik als dem Felde, auf dem das Schick-
sal des Menschen entschieden wird, hat sich hier wiederholt.
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311 Karl Jaspers an Hans Rössner
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers 4000 Basel Austrasse 126
Beigefügt ist die von Piper erbetene briefliche Stellungnahme über Sorensens Kennedy-Buch.
Basel, den 23. April 1966
Sehr geehrter Herr Dr. Rössner!
Beiliegend schicke ich Ihnen den angekündigten Brief über Sorensens »Kennedy«.1694
Wenn Sie wollen, können Sie ihn publizieren, dürfen es natürlich auch lassen, -
mein Brief verpflichtet Sie zu nichts. Jedoch bitte ich Sie, nicht wegzulassen die Ein-
schränkung, die ich zum Schlüsse mache. Es würde unwahrhaftig sein, wenn ich ver-
schwiege, dass das Buch literarisch gesehen im Grunde miserabel ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr ergebener
Karl Jaspers
311a) Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers 4000 Basel Austrasse 126
Basel, den 23. April 1966
Lieber Herr Piper!
Sorensens »Kennedy« habe ich mit Ergriffenheit gelesen. Dieser Bericht eines Man-
nes, der 14 Jahre mit Kennedy als dessen ständiger Berater zusammengelebt hat und
daher ein intimster Zeuge ist, hat eine grossartige Anschaulichkeit, weil der Gegen-
stand so gross ist. Kennedy wird in seiner Wirklichkeit des Alltags, der Arbeit, der gros-
sen Augenblicke in das helle Licht eines modernen Beobachters gestellt. Und Kennedy
leidet nicht darunter, sondern wird nur grösser. An den Anfang stellt Sorensen die
amerikanische Wendung: »Der wahrhaft aussergewöhnliche Mann ist der gewöhn-
liche Mann.«1695 Das bestätigt dieses Buch. Der Wille zur Wahrheit und Wirklich-
keit, zur Gerechtigkeit und zum Frieden ist in diesem vollkommenen Verantwortlich-
keitsbewusstsein so rein, dass der besondere Charakter mit seinen zumeist störenden
Eigenheiten zurücktritt wie etwa bei Thukydides der Charakter des Perikles.1696 Wenn
reine Vernunft in politischer Weisheit wirkt, dann ist das Individuum so gross, dass
die Psychologie schweigen muss. Man erfährt durch zahllose Einzelheiten von dem
Leben, Denken und Verhalten eines solchen Mannes. Man sieht, wie ein moderner
Mensch in hellstem Lichte, doch in neuer Gestalt, die grösste Tradition Amerikas fort-
gesetzt hat. Die hohe Bildung der Gründer-Väter, der Mut, die Uneigennützigkeit und
vor allem dieses hohe Bewusstsein von der Politik als dem Felde, auf dem das Schick-
sal des Menschen entschieden wird, hat sich hier wiederholt.